Castello geheim



Im alten Arbeiterbezirk Castello gibt's mehr Promenaden, Boote und Oligarchen-Yachten sowie einsame Gassen als sonst wo in Venedig. Das 900 Jahre alte Arsenale machte Venedig einst zur stärksten Seemacht des Mittelmeers. Heute wuchert es grün über verfallende Lagerhallen, wo sich langsam einige wieder mit neuem Leben füllen.



Ex-Biennale-Kunstwerk in Castello
Ein übrig gebliebenes Ex-Biennale-Kunstwerk, das in Castello jetzt ganzjährig zugänglich ist




Wuchtige Mauern schirmen immer noch das Arsenale ab, was einst der erste militärisch-industrielle Komplex der Welt war. Die 900 Jahre alte Werft erfand die Fließbandproduktion von Schiffen. Vieles ist weiterhin Sperrbezirk der italienischen Marine, aber wir finden hintenrum einen Zugang, der ohne Biennale und Eintritt zu den einsamen Hinterlassenschaften der einst weltweit größten Werft führt.

Aber Castello ist weit mehr als das Arsenale. Schauen wir uns "verborgene" Beispiele aus Castello an:


Eine Buchhandlung Venedigs hat in Castello eine originelle Lösung gefunden, um mit dem immer wiederkehrenden Hochwasser umzugehen: Die Bücher sind weitgehend in Gondeln und Badewannen gelagert, so dass sie beim Eindringen des Wassers in die Buchhandlung trocken bleiben und mit dem steigenden Wasserpegel einfach angehoben werden.



Vom Zentrum San Marco bis zu den Giardini- und Biennale-Gärten reicht Venedigs größter Stadtteil Castello, benannt nach einer einstigen Burg (Kastell), aus der heraus sich das Arsenale entwickelt hat, eine gigantische Werft, die Venedigs Seemacht sicherte. Im ersten militärisch-industriellen Komplex der Welt schufteten hier auf 48 Hektar bis zu 16.000 Arbeiter.

Gleichzeitig ist Castello hinter dem Arsenale auch ein besonders "grüner" Stadtbezirk, wobei es aber die großen öffentlichen Giardini-Gärten im historischen Venedig gar so nicht gab, weil sie erst unter dem Venedig-Bezwinger Napoleon entstanden sind. Die Gärten jedoch zu Zeiten der Republik Venedig waren Privatbesitz wohlhabender Familien und ähnlich wie beim Vorbild der byzantinisch-orientalischen Architektur durch Mauern abgeschirmt. So wie vielleicht heute in lateinamerikanischen Metropolen.


Ganz in der Nähe der traditionellen Schifswerft des Arsenale ankern heute die absoluten Luxusgeschöpfe der Schiffsbaukunst, die Yachten der Milliardäre, die oft einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. Wenn Sie herausfinden möchten, welcher der dort liegenden wem gehört, wir sagen es Ihnen bei dieser Führung bzw. wie Sie das künftig selber ohne größeren Aufwand herausfinden können.


Das nebeneinander von einem kommunistischen Parteibüro und einem Jesus-Heiligenschrein dürfte zumindest Herz-Jesu-Sozialisten erfreuen. Schade, dass der rote Neon-Stern neben dem strahlenumkränzten Jesus nachts kein Rotlicht mehr ausstrahlt.


Das Arsenale hier in Castello war nicht nur einst die größte Schiffswerft der Welt, sondern auch der erste militärisch-industrielle Komplex der Welt mit einer Fließbandproduktion von ein bis zwei Schiffen pro Tag und damit das militärische Rückrat der Seemacht Venedig.


Eisentreppe an der Arsenale-Mauer in Venedig
Auf solchen Wegen kommt man immer ins ansonsten abgeschlossene und ummauerte Arsenale.


Eine von zig alten Arsenale-Hallen in Renovierung
Eine von zig alten Arsenale-Hallen in Renovierung. Beim jetzigen Tempo dürften die 2020er-Jahre dafür nicht mehr ausreichen ...
Interessant: die hier ausnahmsweise mal sichtbaren Baumstämme und Pfähle zur Sicherung des Untergrundes.


Hier in Castello wohnen noch echte Venezianer
Castello war immer ein Arbeiterbezirk und solange hier noch Wäsche über der Straße hängt, kann man davon ausgehen, dass hier noch echte Venezianer leben und noch nicht durch Ferienwohnungen verdrängt worden sind.



Entfernt man sich von den Touristenmagneten Ponte Rialto und Piazza San Marco, so gibt es oft interessante und originelle Schaufenster zu entdecken. Hier ein Fotostudio, das vor gut einem halben Jahrhundert Berühmtheiten aus Cinecitta und Hollywood wie Filmstars oder Picasso in ihren jungen Jahren fotografieren konnte. Die Überlebenden dieser Zeit sind heute ziemlich alt. Wie sagte doch die hier abgebildete und noch lebende Sofia Loren: "Alter(n) ist nichts für Feiglinge."


In Castello findet sich der niedrigste Sotoportego (Durchgang) Venedigs. Vergleichen Sie seine Höhe selber mit den Haustüren der Nachbargebäude.




Warum hat gerade die einst reichste Stadt Europas so viele Ein-Zeiger-Uhren, wie diese Turmuhr von Maria Formosa? Darüber sprechen wir bei dieser Führung durch Castello.



Castello ist der wichtigste Stadtbezirk in Sachen Biennale, da sich dort das zentrale Ausstellungsgelände befindet. Da aber die große Kunstveranstaltung inzwischen mit zig Außendependancen in Castello und der übrigen Stadt vertreten ist, bleiben auch - wie hier im Bild - oft Leute stehen, schauen und fragen sich: "Ist das Kunst oder kann das weg?"



Aus dem früheren Kastell, was dem Stadtteil seinen Namen gab, war schon vor über 900 Jahren das Arsenale entstanden. Die hier gebauten Schiffe bildeten das Rückrat der einstigen Seemacht Venedig. Obwohl die italienische Marine bis heute Teile davon in Betrieb und als militärisches Sperrgebiet dementsprechend auch unter Verschluss hält, sind doch große Teile des Arsenale dem Verfall preisgegeben. Achtung: Diese Teile des Arsenale sind nur zu Biennalezeiten zugänglich.

1104 begann hier in Castello mit dem Aufbau des Arsenale, der staatlichen Werft, die alle Handels- und Kriegsschiffe produzierte und vorfinanzierte. Der Frachtraum dieser Schiffe wurde vom Hersteller Staat nur an die Kaufleute vermietet. Das reduzierte deren unternehmerisches Risiko und statt mächtiger Familienclans betrieb die Republik von Venedig das Geschäft, das heute private Reeder weltweit betreiben.

Castello war somit ein klassischer Bezirk der Arbeiter, die das allerwichtigste Instrument der Seemacht Venedig produzierten, die Schiffe der venezianischen Handels- und Kriegsflotte. Und hier begann bereits vor 900 Jahren der Bau der venezianischen Staatswerft, welche sich bereits im Hochmittelalter zum ersten und größten (militärisch-)industriellen Komplex der Welt entwickelt hatte, wo zeitweise bis zu 16.000 Arbeiter schufteten und wohnten. Interessant ist, dass ausgerechnet die sehr kommerziell denkenden Kaufleute und Patrizierfamilien den Bau ihrer Handels- und Kriegsschiffe in einem monopolartigen Staatsbetrieb konzentrierten. Warum? Weil sie bereits 700 Jahre vor der Industrialisierung die unschlagbare Effizienz von Standardisierung und "Fließband"-Fertigung einer Großfabrik erkannt hatten. So musste jeder vorproduzierte Schiffsrumpf sowohl als Kriegs- wie auch als Handelsschiff ausgebaut werden können.

Ähnlich wie der Stahlfabrikant Alfred Krupp baute auch der venezianische Staatskonzern Wohnungen für seine Arbeiter. Wir führen sie zu einer Anlage solch mittelalterlicher Sozialwohnungen. Vielleicht durften darum die Werftarbeiter wegen ihrer Ergebenheit sogar die Leibwache der obersten Patrizier stellen. Nur mal so zum Vergleich mit unserer heutigen Industriekultur: Könnten Sie sich vorstellen, dass die englischen Werftenbesitzer und Schiffsbauunternehmer der "Titanic" sich aus ihren Arbeitern und Proletariern eine Leibgarde zusammengestellt hätten? Die feudalistische Kaufmannsrepublik funktionierte stabil über 1000 Jahre und war schon eine eigene Gesellschaftsordnung samt Staatsunternehmen und Wohlfahrtssystem.

Die einst in diesen Hallen wurden gefertigten Schiffe mussten sowohl für Kriegs- wie auch für Handelszwecke im Mittelmeerraum einsetzbar sein. Die italienische Marine hat diesen Teil des Arsenales der Biennale überlassen.





Auch bei dieser Tour erfahren Sie viel an weniger bekannten Geschichten aus der Historie Venedigs.













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