Giacomo-Casanova-Tour
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Das Multitalent Giacomo Casanova war einer der gebildetsten und interessantesten Zeitzeugen des 18. Jahrhunderts, als Venedig noch das Las Vegas Europas war. Der schillernde Paradiesvogel war enorm breit aufgestellt vom Studium der Theologie, Juristerei und Medizin bis hin zur Tätigkeit als Lotterie-Erfinder, Alchemist oder Librettoschreiber (für Mozart!) und Übersetzer der Ilias. Er sprach mit Königen und Kaiserin; ein Papst engagierte ihn obwohl er mal als junger Priester absichtlich von der Kanzel gefallen war.
Casanova gilt nicht nur als der größte Selbstdarsteller des 18. Jahrhunderts,
sondern er wird aufgrund seines umfangreichen Schrifttums plus Übersetzungen
auch als ein Historiker, Philosoph und Philologe seines Zeitalters betrachtet.
Sein Ruf als 'd e r' große Womenizer ist lediglich einer reißerischen
19.-Jhdt.-Übersetzung des Brockhaus-Verlages geschuldet, die sehr stark auf die
erotische Passagen reduziert worden war. Dabei hatte Casanova so viel mehr
geschrieben von mathematischen Abhandlungn bis hin zu einem Art
Science-Fiction-Roman; allein seine Autobiografie war mehrbändig.
Bei dieser Führung besuchen wir Stationen seines Lebens in Venedig und gehen dabei folgenden Fragen nach:
Wo wurde Giacomo Casanova geboren und wuchs er auf?
Wo wurde er dank seiner modernsten medizinischen Kenntnisse und durch glücklichen Zufall zum Lebensretter seines künftigen Gönners und Mäzens?
Wo fiel Casanova als junger Priester von der Kanzel - und warum nicht einmal unabsichtlich? Warum beendete das seine Karriere als Priester?
Wo wohnte er eigentlich in Venedig?
Wer waren in Venedig seine adeligen Sponsoren und Freunde, wer seine Feinde?
Wie und wo gelang ihm der Ausbruch aus dem Bleikammern-Gefängnis
des Dogenpalastes, was niemandem vorher gelungen war?
Und ist an der Geschichte wirklich alles wahr?
Zu Anfang besuchen wir den einsamen winzigen Hinterhof, wo der kleine
Giacomo bei seiner Oma aufwuchs. Eines er ersten Erlebnisse, das Casanova
in seiner Autobiografie schildern wird, ist, wie er wegen seines
chronischen Nasenblutens von einer Hexe oder Schamanin erfolgreich
geheilt wurde, gesteckt in eine Kiste mit viel Draufklopfen und
magischen Beschwörungen.
Die Delikte, wegen derer Casanova in den Bleikammern des Dogenpalastes landete, würde kein Staatsanwalt in Europa mehr akzeptieren: "Libertinismus, Atheismus, Okkultismus und Freimaurerei".
Warum aber musste er trotz Amnestie und adeliger Gönner später ein zweites Mal wieder aus Venedig fliehen?
Ist sein Vater wirklich der frühverstorbene Schauspieler oder vielleicht ein angesehener Patrizier Venedigs, der interessanterweise nach dem frühen Tod seines offiziellen Vaters finanziell für beste Ausbildung samt Studium in mehreren Fächern sorgte?
Seine Mutter Schauspielerin muss selber eine - sagen wir er mal so - erotisch
auffällige Figur gewesen sein.
Sie tourte ebenso wie später ihr Sohn durch Europa und hatte dabei
u.a. eine Affäre mit dem jungen, späteren König von England, von dem auch
ein berühmt gewordener Bruder Casanovas stammen könnte.
Warum ging mit dem Ende der Republik Venedig auch Casanovas Welt unter?
Warum kehrte er nicht mehr zurück, obwohl ihm nach Napoleons Eroberung
Venedigs doch keine Verfolgung mehr durch die venezianische
Staatsinquisition drohte?
Was machte Casanova zu so einem typischen Venezianer, obwohl er doch den deutlich größeren Teil seines Lebens außerhalb von Venedig und Italien verbracht hatte?
Hier gelingt Casanova gerade der Ausbruch aus dem Bleikammern-Gefängnis des Dogenpalastes, was vorher noch niemandem gelungen war. Nur stellt dieses Gemälde EINE Version seiner Flucht dar. Links unten im Bild wird er auf der Rückseite des Dogenpalastes in eine Gondel verfrachtet.
Casanova's Version ist jedoch eine andere als im Bild: Er seilte sich danach nicht ab,
sondern er stieg vielmehr auf's Dach. Aber wie entkam er dann
vom Dach des größten, fast komplett frei stehenden
Gebäudes in Venedig? Und stimmt diese Version überhaupt?
Sicher ist: Nach 19 Monaten flohen er und ein mit ihm einsitzender
Mönch als erste aus dem Gefängnis des Dogenpalastes, was ihm
schnell einen gewissen Ruhm in Europa verschaffte.
Über dieses und vieles anderes reden wir bei dieser Führung.
1725 wird Casanova hineingeboren in ein Venedig, das Europas Adel ein
solch ausschweifendes dolce vita als Dienstleistung anbieten konnte,
wie es im übrigen Europa nirgendwo sonst denkbar war. Obwohl aus
einfachen Verhältnissen stammend, gelingt ihm mit viel Geschick und
Glück der Aufstieg zu einem Leben und einer Rolle, die ihn heute
als d e n Lebemann des 18. Jahrhunderts erscheinen lässt. Aber anders
als viele adelige "Playboys" seiner Zeit musste und konnte der eigentlich
mittellose Casanova viel Geld verdienen oder "auftreiben", was ihm dank
seines Ideenreichtums und seiner Intelligenz auch immer wieder gelang.
Der Umfang von Casanovas Reiserouten durch Europa kann nur mit wenigen der damals Vielgereisten konkurrieren, z.B. mit den Strecken seines Zeitgenossen Mozart. Beide hatten die Fürstenhöfe ihrer Zeit zum Ziel. Auf dieser Karte fehlt nur das weit entfernte Moskau, wo der Charmeur Casanova ohne jede Einladung frühmorgens im Park der jungen Zarin Katharina der Großen auflauerte - mit Erfolg.
Was ihn auch zum Gesprächspartner für Könige, Päpste und die Zarin machte.
Als Freigeist und Freimaurer wird er in Venedig jedoch schon frühzeitig als
"politisch gefährlich" eingestuft. Zwei Mal landete er jung im Gefängnis und
zwei Mal muss er aus der Lagune fliehen, tourt dann mehr als
sein halbes Leben durch Europa, findet ständig neue Rollen, neues Geld
und neue Frauen, und beweist sich so als ein grandioser Lebenskünstler und
Glücksspieler seines eigenen Lebens.
Er spricht mit den größten Monarchen Europas und zwei Päpsten,
schreibt das alles auf und hinterlässt uns so ein ungeschminktes,
ehrliches Sittengemälde der alten Welt von vor 1789 und der Französischen
Revolution. Dass er mehr Zeit durch Europa tourte als er in Venedig
gelebt hat und dabei regelmäßig die Elite Europas kontaktierte, ist
für uns Nachgeborene ein Glücksfall. Dies macht heute den eigentlichen
Wert seiner Schriften und den (Nach)Ruhm Casanovas aus.
Warum aber ist er ein seit 200 Jahren etwas überschätzter Frauenheld, warum wurde er andererseits lange völlig unterschätzt als der vielleicht beste literarische Zeitzeuge der untergehenden Gesellschaft des Ancien Regimes? Sein Image als Erotomane verdankt Casanova einer aus Marketing-Gründen verkürzten und reißerischen Übersetzung ins Deutsche im prüden 19. Jahrhunderts, verbrochen von Brockhaus, die sich dann auch sehr gut verkaufte.
Auch wenn nicht von ihm geschilderten Begebenheiten wirklich
so gewesen sein mögen: Aber das unstete und abenteuerliche Leben, das
Casanova führte, sowie die Affären mit hunderten Frauen waren für
einen Mann gehobenen Standes zu seiner Zeit beinahe normal. Zu
diesem gehobenen Stand zu kommen, war wohl sein wichtigstes Lebensziel.
Aber wenn wir schon beim Womenizer Casanova sind:
Im Original der Autobiografie füllen Casanovas Liebesabenteuer
rund ein Fünftel der Seiten. Er wird auch von manch einer Frau
abgewiesen oder verlassen, und er stellt sich meist als der
"Verführte", also keineswegs als der große Verführer dar.
Die Leiterin des
Deutschen Studienzentrums in Venedig (ja, das gibt's; übrigens in bester Lage
mit großer Terrasse am Canal Grande), Marita Liebermann ist auch Autorin einer wissenschaftlichen
Arbeit über Casanova und unterscheidet Casanova deutlich vom typischen Don Juan:
Der Verführer suchte sich keine weiblichen Eroberungen aus einer
Machtposition heraus, z.B. mit einem Heiratsversprechen oder so wie ein
hochgestellter Adeliger vielleicht eine arme Dienstmagd bedrängt.
Nein, Casanova suchte Frauen auf Augenhöhe, die sich einfach für ihn
als begehrenswerten Außenseiter interessierten.
Wenn ein Feminist jemand ist, der die Frau als gleichwertigen Menschen
behandelt, "in dem Sinne würde ich sagen ist Casanova
auf jeden Fall ein Feminist.", so Marita Liebermann.
Er "fühlte sich zu selbstbewussten, klugen und gebildeten Frauen hingezogen,
die er als Partnerinnen akzeptieren konnte", so der bekannte Psychologe und
Autor vieler Bücher über herausragende Frauen, Dieter Wunderlich.
Also eine recht moderne Einstellung.
Als jemand von keiner adeligen Herkunft, der aber meist in höher gestellten
Kreisen verkehrte, musste er sich sehr geschickt und auffällig intelligent verhalten,
um beachtet zu werden. Und das gelang ihm ebenso bei reichen Männern wie wohlhabenden
Damen. Von beiden holte er sich auf verschiedenste Weisen das Geld für seinen aufwändigen
Lebensstil.
O-Ton Casanova: „Ich war Wüstling, Spieler, kühn in meinen Worten
und dachte grundsätzlich nur daran, mein Leben zu genießen“,
bekannte Casanova, „aber in all diesem sah ich kein Staatsverbrechen“.
Warum ihn aber trotzdem die staatliche Inquisition nicht nur
einmal ins Gefängnis steckte, u.a. darum geht es bei dieser Führung.
Jenseits dieses Frauenhelden Giacomo ist aus heutiger Sicht aber noch
interessanter, dass der Abenteurer Casanova gut vier Jahrzehnte lang durch
Europa tourte und sich als ständig neu erfand oder erfinden musste als
<!- Bispiele aus dem Beruf kurz schilödern -->
- Priester,
- Jurist,
- Alchemist,
- Astronom,
- Mathematiker,
- Historiker,
- Diplomat,
- Goldmacher,
- Schriftsteller & Science-Fiction-Autor,
- Übersetzer (von Homers Ilias)
- Erfinder,
- Textil-Unternehmer,
- Börsenhändler,
- Marine-Leutnant,
- Entertainer,
- Musiker (Geige),
- Opern-Librettist (auch für Mozart),
- Kalenderreformer,
- Bodenreformer,
- Heiler,
- Glücksspieler
- und nicht zuletzt als Womenizer.
Casanova war ein Vielschreiber und verstand sich als Literat. In seinem für uns wichtigsten Werk, der "Geschichte meines Lebens", baut er sich selber zu einer fast mythischen Figur auf und präsentiert sich als ein genialer, kluger, ehrgeiziger Mann, der in Vergnügungen und Liebesintrigen Befriedigung zu finden scheint, ohne jedoch eine wirkliche Anerkennung für sein literarisches Werk erlangen zu können.
Quer durch Europa bildeten sich damals die (Gesprächs-)Salons der gehobenen und adeligen Gesellschaft. Der renommierte Casanova-Forscher J. Rives Childs bezeichnet den Chevalier als den "bedeutendsten Kopf der europäischen Salons." Dieser Mann verstand es einfach, sowohl intellektuell wie äußerlich Eindruck zu machen und so ein gewisses Aufsehen zu erregen, wo er auch auftauchte. Auch bei den wohlhabenden Damen, die oft diese damals angesagten Salons führten und moderierten.
Man könnte den geborenen Venezianer durchaus als einen der ersten Europäer und nicht weniger als eine Art Universalgenie bezeichnen, gilt er zudem doch heute als einer der gebildetsten Menschen seiner Zeit und war darum geschätzter Gesprächspartner u.a. des französischen und englischen Königs, von Friedrich dem Großen, der Zarin Katharina der Großen oder zwei Päpsten.
Wie kommt man aber im 18. Jahrhundert an solche exzellenten Kontakte?
Casanova bediente sich mindestens zweier Wege des Kontakteknüpfens:
Strategie 1: Casanova wusste sich in der Welt des Adels zu bewegen und dort auch zu faszinieren. Meist startete er die Inszenierung seines ersten Auftritts in einer Stadt, in der man ihn noch nicht kannte – im Theater, wo er sein adeliges Publikum vorfand, aber auch sicher sein konnte, Landsleute zu treffen – italienische Schauspieler. Sein Auftritt war der eines reichen, hochgestellten Weltmannes, samt niederem Adelstitel "Chevalier" - ihm vom Papst samt Diamant verziertem Orden verliehen, er war immer nach der neuesten Mode gekleidet und mit über 1,85 m für damals sensationell hoch gewachsen: Diesen Mann musste man beachten. Casanova war ein Dandy, der sich in der Welt des Adels nicht nur zu bewegen, sondern auch dort zu faszinieren wusste. Friedrich der Große sagte zu ihm: "Sie sind ein sehr schöner Mann"; und der schwule Preußenkönig musste es wohl wissen.
Strategie 2:
Neben Empfehlungsschreiben war eine von Casanovas Schienen durch Europa,
dass er mit einer Art "Freimaurer-Pass" reiste (Goethe, der von Beruf
immerhin Minister eines Kleinstaates war, z.T. auch), was ihm z.B.
Kontakte zu aufgeklärten Salons und zur gebildeten Oberschicht
verschaffte. Casanova hielt auch die Deckungsregel der Freimaurer ein,
d.h. keine lebende Person von ihrer Identität preiszugeben (einschließlich
seiner Frauen). Etliche
dieser Freimaurer konnten von Historikern identifiziert werden, was
auch die Glaubwürdigkeit der Memoiren des Chevaliers stärkte.
Ähnlich diskret verfuhr Casanova bei seinen zahlreichen Liebschaften und
Damen. In seinen Memoiren nennt der Kavalier
nie ihre vollen Namen, sondern »M. M.« und »C. C.«, »Madame de..« und »Madame F.«,
»Mlle. X. C.V." sowie »Henriette«, »Clementine«, »Charlotte« und »Pauline«, was
damals sehr häufige Vornamen waren.
Weil er gesellschaftlich von unten kam - seine Eltern waren Schauspieler - konnte
er ziemlich respektlos die Welt der Großen, Mächtigen und Schönen, aber auch
aus eigener Erfahrung die
der Armen beobachten und beschreiben. Das macht ihn übrigens so wertvoll
für die heutige Geschichtsforschung um das Zeitalter des ausgehenden
Ancien Regime zu verstehen. Die Gesamtausgabe seiner Schriften umfasst
zwölf Bände.
Beispiele für die extrem Vielseitigkeit des Giacomo Casanova: 1775 bis 1778 veröffentlicht Casanova drei Bände einer Übersetzung von Homers Ilias ins Italienische, die aber auf dem Buchmarkt so wenig Beachtung finden, dass der abschließende 4. Band ungeschrieben bleibt. 1779 veröffentlicht der Vielschreiber ein Buch gegen Voltaire, den er bewundert, was aber vom Franzosen nicht erwidert wird und zu einer Art Hassliebe Casanovas führt. Weil weltanschaulich passen sie gut und doch nicht so gut zusammen: Voltaire verkörpert bereits das kommende Revolutionäre ( 1789! )der Aufklärung; Casanova hingegen ist Günstling der Adelsgesellschaft und des Ancien Regime. Obwohl durch und durch ein Freigeist - und dazu noch Freimaurer - musste er damit politisch anecken. Dazu passend stellt Casanova 1781 sogar ein Verzeichnis der von der Kirche verbotenen Bücher zusammen. Denn zeitweise ist er, der gelernte Priester, ein Günstling des Papstes und dieser persönlich gewährt ihm Zugang zur Vatikanischen Bibliothek. Die von Casanova verfassten Kommentare entbehren nicht einer gekonnten Zweideutigkeit. So etwas könnte man auch Chuzpe nennen. Um die Ironie dieser Geschichte zu vollenden, wird der Vatikan später seinen Index der verbotenen Bücher im 19. Jahrhundert genau um Casanovas Schriften erweitern ...
In dieser Kirche predigte Casanova als junger Priester ...Ja - wirklich! Casanovas Aufstieg in Venedig begann als Priester, der mit einer Aufsehen
erregenden Predigt in dieser hier oben abgebildeten Kirche begann - es sieht heute
hier noch genauso aus - nur die Kirche ist geschlossen. Warum diese Karriere
des als hoch talentiert angesehenen Predigers hier auch bald endete, klären
wir bei dieser Führung. Am Ende stürzte der junge Casanova von der Kanzel - und das
nicht ganz unabsichtlich ...
Möglich war das alles Casanova, da er neben seiner Muttersprache
auch Französisch, (Alt-)Griechisch, Latein und Hebräisch beherrschte
und damit auch in Naturwissenschaften, Philosophie und Medizin auf
dem Stand seiner Zeit war. Nur so konnte Casanova zufällig und
spontan einem hochrangigen Patrizier und Senator
Venedigs das Leben retten, weil er früher als viele Ärzte wusste:
Quecksilber(pflaster) ist giftig und überhaupt keine geeignete Therapie
bei einem von Casanova sofort dignostiziertem Schlaganfall.
Der das Quecksilber verabreichende Arzt war darüber so verärgert,
dass er damit einen reichen Patienten verlor. Aber der so gerettete ältere Herr
wurde damit der lebenslange Freund und Förderer des noch sehr jungen Casanova.
Die Autobiografie Casanovas ist nicht vollständig, sondern endet 1774
mit seiner Rückkehr nach Venedig, was der auch sehr offen bgründet:
Denn in dieser Zeit begann der Niedergang des Bonvivant nicht nur
finanziell, sondern auch mit dem Verlust seines jugendlichen,
abenteuerlichen Geistes und Aussehen und damit den ersten Misserfolgen bei Frauen.
Die von Casanova erzählten Jahre sind daher ein Bericht über seine beste und
angenehmste Zeit des großen Glanzes im Umfeld der aristokratischen Gesellschaft,
des "ancien regime". Nicht ganz zufällig fällt sein Tod zusammen mit dessen Ende,
der französischen Revolution und der "Beerdigung" der Patrizier-Republik Venedig durch Napoleon.
Bei dieser Führung gehen wir nicht nur zu den Wirkungsstätten
dieses Bonvivant. Wir reden auch über seine Familie, also
seine Herkunftsfamilie. Zwei seiner Brüder
brachten es als Künstler ziemlich weit in Europa. Giacomo Casanova litt
zeitlebens darunter, dass er eher im Schatten dieser zwei prominenten
Brüder stand. Der eine etablierte sich als bedeutender Künstler im Pariser
Umfeld, der andere wurde Direktor der Akademie der Bildenden Künste in Dresden.
Sein Bestreben, als Schriftsteller, Mathematiker, Historiker oder Philosoph
anerkannt zu werden, gelang ihm nicht. Damals wie heute wird er
als Abenteurer und Liebhaber des Lebens in all seinen Formen gesehen.
Sein geistig-philosophischer Anspruch zeigte sich darin, dass er sich
mit solchen Größen wie Rousseau und Voltaire austauschte. Das Zusammentreffen
mit Voltaire beschrieb er in seiner
Autobiografie sogar als den glücklichsten Tag seines Lebens, denn er sah
diesen als seinen größten Lehrer an. Und dabei es kommt zur großen Enttäuschung
für Casanovas, da Voltaire seine Haltung rundherum ablehnt. In ihrer Debatte
prallen nun zwei recht gegensätzliche Denkmodelle aufeinander. Während es für
Voltaire keine
Freiheit unter der Aristokratie geben konnte, möchte Casanova, weiter
in (s)einer feudalistischen Welt leben, nachdem ihm der Anschluss an die
adelige Oberschicht gelungen war. Von nun an wird Casanova seinem Idol
Voltaire nur noch in Hassliebe verbunden bleiben ...
Casanovas Motto war: Oft verliebt,
selten verlobt, nie verheiratet! Hatte er Kinder und wenn ja, wie viele?
Ist Casanova vielleicht sogar von unehelicher adeliger Herkunft und wurde
darum seine Erziehung von einem Adeligen finanziell gefördert und konnte
er darum sowohl Juristerei, Theologie (und Medizin?) gleichzeitig studieren?
Einer der Liebhaber seiner Mutter war immerhin ein Kronprinz und
späterer englischer König und könnte darum der Erzeuger eines seiner
Brüder sein. Was für eine Mutter ...
Wir dürfen also davon ausgehen, dass er in gewisser
Weise die Kunst der Verführung schon von seiner Mutter geerbt
hat.
Warum brechen Casanovas Lebenserinnerungen mit seiner Rückkehr nach Venedig
ab?
Erst scheitert er als Theater-Unternehmer und Schriftsteller mangels verkaufter
Karten bzw. Auflagen. Und die Rolle des jugendlichen Liebhabers nimmt ihm
keine(r) mehr ab. Auch wenn er am Ende seiner zweiten venezianischen Phase
mit einer um Jahrzehnte jüngeren Näherin zusammen lebt.
Nach seiner zweiten und endgültigen Flucht aus Venedig gilt:
Warum sollten - wie in seinen früheren Jahrzehnten - Könige, Kaiserin und
Päpste so jemandem Audienzen gewähren, der inzwischen als alter Mann
angesehen wurde und eine so gebrochene Biografie hat?
Lassen wir Casanova selber sprechen:
„Was meine Memoiren anbelangt, so glaube ich, dass ich sie
sein lassen werde, denn von meinem fünfzigsten Jahre ab kann
ich nur Trauriges darbieten, und das macht mich traurig.
Ich hatte sie nur geschrieben, um meine Leser zu unterhalten;
gegenwärtig würde ich sie (nur) betrüben und das
ist nicht der Mühe wert.“
WAS MACHT C NACH 2. VERBANNUNG?
......
2018 wurde in Cannaregio im Palazzo Papafava ein Casanova-Museum eröffnet, eine gut gemachte Multimedia-Show. Ich war einer ihrer ersten Besucher, siehe mein Foto weiter unten mit einer - wie soll man sagen - historisch eingekleideten Werbe-Hostess. Leider hatte die Show dort relativ wenige Zuschauer da sie in Cannaregio ein bisserl abgelegen vom Touristenstrom war.
In seinen ersten Monaten nach seiner Eröffnung standen noch historisch gekleidete junge Frauen als Werbung vor dem Eingang um Besucher anzulocken.
Ein Umzug ganz in die Nähe von Casanovas Geburtshaus (Werbeslogan: "Casanova kehrt heim!") nach San Samuele in San Marco war dann für Herbst 2019 geplant. Dann wurden aber die neuen Räume zentral am Canal Grande gelegen vor der Neueröffnung im November 2019 durch das große Hochwasser überflutet. Nach der folgenden Renovierung brach dann vier Monate später der erste Corona-Lockdown über Italien herein, von wo die Pandemie ja ihren Ausgang in Europa nahm. Das war offenbar zu viel. Das Museum kam nicht in San Samuele an ...
Meine Hoffnung, dass trotz so viel Pech diese Ausstellung nach der Corona-Zeit wieder aufleben würde, hat sich leider nicht erfüllt.
Auch bei dieser Tour erfahren Sie viel an weniger
bekannten Geschichten aus der Historie Venedigs.
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