Was die Welt Venedig verdankt



Die Welt verdankt Venedig u.a. das Spielcasino, Kursivschrift, Taschenbuch, Sehbrille, blaues & Spiegelglas, den Scheckverkehr, die erste Digitaluhr, das Copyright, die großindustrielle Fließbandproduktion sowie das anonyme erotische Faschingsvergnügen à la Carnevale veneziano per Maske, aber auch Quarantäne und das Ghetto ...

... aber auch Quarantäne & Isolation, das Ghetto, das erste öffentliche Opernhaus oder die Entdeckung Nordamerikas. Wirklich! Kolumbus erreichte nur die Bahamas, aber ein Venezianer betrat als erster Nordamerika; in Canada gibt es Denkmäler für ihn.

Die erste Digitaluhr der Welt befindet sich in Venedig

Die erste Digitaluhr der Welt war weder eine Armband- noch eine Taschenuhr, sondern sie ist mehrere Meter groß und befindet sich in Venedig. Alle fünf Minuten schaltet sie weiter mittels einer zwölfteiligen Trommel, wie im oberen Bild angezeigt.
Frage: Welche Uhrzeit ist auf obigem Bild angezeigt: 11:55 Uhr oder 2:55 Uhr P.M.? Das ist eine Frage der "Perspektive" ...

Die großindustrielle Fließbandproduktion wurde nicht etwa zum ersten Mal von Henry Ford im 20. Jahrhundert eingeführt, sondern bereits im Hochmittelalter im Arsenale praktiziert, der venezianischen Staatswerft. Diese hat unsere beeindruckende Bauten hinterlassen. Den versteckten, abgelegenen und kostenlosen Zugang auch während der Biennale muss man aber erst einmal finden.
Im Arsenale von Venedig begann bereits im Hochmittelalter die erste Fließbandproduktion der Welt.


Zwar erfand Johannes Gutenberg zu Mainz den Buchdruck mit beweglichen Lettern, aber Italien und Venedig kopierten diese Innovation extrem schnell und lieferten fast die Hälfte der europäischen Buchproduktion. Die Druckerzeugnisse des Aldus Manutius erstaunten ganz Europa. Dieser überaus gebildete Humanist revolutionierte die gedruckte "Schreibweise" durch diverse Neuerungen: Bessere Lesbarkeit mittels Zeichensetzung z.B. durch Einführung von Interpunktion, die es bislang so noch gar nicht gab. Desweiteren durch handliche Bücher wie wir sie heute fast nur noch kennen und die Erfindung der Kursivschrift, um Platz und Papier zu sparen.

Titelseite von Vergil - Aldo Manutius erfindet in Venedig die Kursivschrift - um teures Papier zu sparen.

In den ersten 20 Jahren des 16. Jahrhunderts war Venedig eines der bedeutendsten Zentren des Buchdrucks in Europa und befördert damit - obwohl katholische Republik - sogar die Reformation in Europa, wenn auch eher unabsichtlich und aus rein kommerziellem Interesse. Dazu passend erfindet Venedig die Herstellung von Lesebrillen.

Durch die im Fondaco dei Tedeschi an der Rialtobrücke lebenden nordeuropäischen Händler gelangten die ersten Schriften Martin Luthers in die Stadt, um sogleich in die lokale Sprache übersetzt und von den Venezianern verschlungen zu werden. Seit Erfindung des Buchdrucks war die Herstellung von Büchern erschwinglich geworden und Venedig erfindet das Copyright zum Schutz der Verleger.

Haus und Druckwerkstatt des Humanisten und Verlegers Aldo Manuzio in Venedig.
Das Haus des Humanisten und Verlegers Aldo Manuzio (venez. Schreibweise) bzw. Aldus Manutius und seine Druckerwerkstatt. (c) Wikimedia

Schnell verfügbare Übersetzungen lösten geradezu einen Leseboom aus. Warum: In der Kaufmannsstadt Venedig lernte ein großer Teil der Bewohner und Besucher mindestens hundert Jahre früher lesen als im übrigen Europa; und die verbliebenen Analphabeten ließen sich einfach von den anderen vorlesen. Eine Revolution des Geistes setzte damit ein. Selbst Handwerker wurden von der Lese- und Diskussionswut erfasst. Passend dazu kreiert Aldo Manuzio in Venedig das Taschenbuch.


Laut historischen Quellen gab es bereits seit 1170 in Venedig erstes Glücksspiel unter freiem Himmel, besonders in Zeiten des venezianischen Karnevals. Die ersten konzessionierten Spielhäuser waren im 14./15. Jahrhundert in Holland und Flandern anzutreffen. Das erste deutsche Spielhaus fand sich 1396 in Frankfurt am Main. Aber bereits ab 1638 befand sich im „Ridotto“ Europas erster und ausschließlicher Glücksspielort.

Das Wort „Casino“ kommt aus dem Venezianischen und bezeichnete ursprünglich die privaten Räumlichkeiten, die die venezianischen Nobili in der Nähe des Dogenpalastes unterhielten, um dort ihre Amtstracht anzulegen, mit der sie zur Versammlung des Großen Rates bzw. als Amtsperson zu dessen Kommissionen und Regierungsgremien zu erscheinen hatten. Bald wurden diese Räumlichkeiten auch als Stätten der Geselligkeit genutzt und zum Synonym für Spielbank bzw. Spielcasino. Wobei Adelige die Bankhalter beim Glücksspiel waren und einige dieser Handelsherren einen Ersatz für den verlorenen Orienthandel gefunden hatten.

Das Wort „Casino“ bedeutet eigentlich nur „kleines Haus“, mithin das Gleiche wie „Ridotto“ = Palazzo reduto. Casinos wurden für verschiedene Zwecke genutzt, nicht nur als Vergnügungsstätten. Giacomo Casanova, selber fast spielsüchtig, wohnte zeitweise in von ihm gemieteten bzw. ihm von seinen Gönnern überlassenen Casinos, wie man aus seinen Memoiren weiß.

1638 wurde also im Palazzo Dandolo das erste öffentliche Spielcasino Venedigs – das sogenannte Ridotto (San Marco Haus-Nr. 1362) – eröffnet; Mitte des 17. Jahrhunderts waren es schon über 100. Die Glücksspielhäuser wurden in Venedig von Privatleuten – zumeist venezianische Nobilhomini – betrieben, bedurften aber einer Art offizieller Lizenz. Warum? Die Leitlinie der Kaufmannsrepublik Venedig war stets immer: Wenn wir etwas nicht verbieten können, dann machen wir ein Geschäft daraus und kassieren dafür kräftig Steuern." Zum Ende der Republik gab es 1797 ganze 136 dieser Spielsalons!

Seit 1945 gibt es in Venedig nur noch ein einziges, das am Canal Grande gelegene, städtische Casino. In dem Palazzo, in welchem Richard Wagner seine letzten Lebensjahren verbracht hatte.

1637 entstand in Venedig das erste öffentliche Opernhaus. Damit demokratisiert Venedig den Genuss von professioneller Musik. Jeder konnte sich jetzt eine Eintrittskarte kaufen ... also zumindest das wohlhabende Bürgertum, vorher waren Opernbühnen in ganz Europa ausschließlich dem Adel vorbehalten. Musik konnte damals ja nur live oder gar nicht genossen werden. Für Angehörige aus dem einfachen Volke blieb nur, selber Musik zu machen und davon machte Venedigs Volk reichlich Gebrauch, ganz besonders, was das Singen betraf.

Europa besonders und die ganze Welt verdankt Venedig einen Beweis, der für die Zukunft der Demokratien in der Welt bis heute von unschätzbarem Wert sein kann, nämlich: Ein Staat funktioniert auch ohne jeden König oder absolutistischem Alleinherrscher: Exakt 1100 Jahre lang wurden Dogen gewählt (von Duca = Herzog) und im Laufe der Jahrhunderte immer mehr entmachtet.

Anders als z.B. in Florenz, Mailand oder gar im alten Rom konnte sich in Venedig nie eine einzelne Familiendynastie etablieren und die ganze Macht an sich reißen. Versuchte es doch mal einer, so wurde derjenige Doge vor dem Dogenpalast öffentlich enthauptet. Die Adelsdynastien der reichen Kaufmanns- und Patrizierfamilien hielten sich gegenseitig in Schach, damit kein Clan zu oft den Dogen stellen konnte. Sämtliche öffentliche Ämter wurden per Wahl - durch den männlichen Adel - auf Zeit vergeben und möglichst jedes Jahr neu gewählt. Nur der Doge war auf Lebenszeit gewählt, sollte schon etwas alt sein und durfte ab der Wahl keinen einzigen Schritt oder ein Gespräch mehr alleine machen oder sich gar vom Palazzo Ducale ohne Genehmigung seiner Berater entfernen.

Dass sich trotzdem oder gerade aus Angst vor Putschversuchen und vor äußerlichen Feinden in den letzten Jahrhunderten der Republik eine bürokratische Staatsinquisition etablieren konnte, davon kann der Freigeist Casanova ein Lied singen, der als Venezianer zwei Mal eingekerkert, zwei Mal ins Exil getrieben wurde und bei Geldknappheit sich selber dem Geheimdienst als Spitzel andienen musste.

Nicht umsonst stammt das Wort regata aus Venedig. 120 Bootswettkämpfe = Regatten finden im Sommerhalbjahr statt, die von einer eigenen städtischen Abteilung koordiniert werden.

Ballonbomben waren die ersten Kampfdrohnen der Geschichte und eine militärische österreichische Innovation von 1849 unter General Radetzky. Sie richteten relativ wenig Schaden an, scheinen aber psycholgisch zur Kapitulation der aufständischen Venezianer von 1848/49 beigetragen zu haben.

Sogar die Entdeckung Nordamerikas verdanken wir einem Venezianer und dies ist wirklich kein Mythos, sondern historisch belegt. Genua war immer die große Konkurrenz für Venedig, aber darum sollte man den Genuesen Kolumbus nicht überschätzen, denn der entdeckte nur die Bahamas. Nordamerikanischen Boden betrat als christlicher Europäer zuerst tatsächlich ein Venezianer, der mit seinem Projekt eines freien Seeweges nach Indien leider keine Unterstützung bei der damals so stolzen Seemacht Venedig finden konnte - mit katastrophalen Folgen für Venedig und zugunsten einer anderen künftigen Groß- und Weltmacht, nämlich für England. Darum trat er dann in die Dienste des englischen Königs und jetzt kennen sie einen der Gründe, warum Nordamerika nicht spanisch, sondern englisch werden sollte. Diesen Herrn namens Giovanni C., der aber erst als John. C. Amerika erreichen sollte, möchten wir Ihnen bei dieser Führung vorstellen sowie sein bis heute auffälliges Haus, direkt gelegen am Südostufer Venedigs, von wo seinerzeits die meisten Schiffe ihren Weg aus der Lagune ins weite Meer suchten.

Trotz alledem: Wir dürfen nicht vergessen, wo vor der europäischen Kolonisation der Welt der Schwerpunkt der Weltwirtschaft lag: In Süd- und Ostasien und zwar mit 2/3 bis 3/4 des Weltsozialprodukts - da sind sich alle Historiker einig. Und im Moment kehrt dieser Schwerpunkt jetzt gerade wieder dorthin zurück, da die Mehrheit der Weltbevölkerung inzwischen um den Pazifik und Indischen Ozean lebt.
Denn China hatte mindestens vier große Erfindungen vor Europa: Papier, Buchdruck, Kompass und Schießpulver (das aber nur für Feuerwerk genutzt wurde).
Und - um wieder auf Venedig zurückzukommen: Gerüchte besagen, die Spaghetti-Nudel könnte auch aus China gekommen sein, und zwar über den Venezianer Marco Polo.

Immer wieder behauptet, aber das stimmt wohl doch nicht: In Italien taucht Pasta das erste Mal im neunten Jahrhundert auf: In einem syrischen Text werden sogenannte »Itrya«, getrocknete Nudeln aus Hartweizengrieß, erwähnt. Sie dürften durch die Araber nach Sizilien gelangt sein. Von dort verbreiteten sie sich schließlich auf den Rest Italiens, also nach Venedig wohl zuletzt ...

Auch bei dieser Tour erfahren Sie viel an weniger bekannten Geschichten aus der Historie Venedigs.

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