Wird Venedig untergehen?
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Wird Venedig untergehen?
Die oben im historischen Bildvergleich gezeigten und verschwundenen Stufen
am Canal Grande zeigen es drastisch:
Die Stufen wurden einfach entfernt, weil sie sonst ständig unter
Wasser wären - so stark ist der Wasserspiegel bereits gestiegen.
Versinkt Venedig schneller als der Meeresspiegel
ansteigt oder ist es doch umgekehrt? Wie funktionierte eigentlich
der Wasserkreislauf Venedigs bis heute OHNE richtige Kläranlagen?
Das Zusammentreffen von Mondstand, Flut und starkem Südwind droht Venedig regelmäßig zu überschwemmen. Aber erst seit etwa 60 Jahren, seitdem man für Öltanker, Frachtschiffe und Kreuzfahrtschiffe die drei sehr engen Zuflüsse in die Lagune von Venedig ausgebaggert und verbreitert hat.
Untergang, Niedergang, Abgesang: Eigentlich sind sich alle Medien einig,
dass das alte Venedig wahlweise stirbt, verschwindet oder untergeht.
Aber muss das wirklich so sein?

Nein und doch Ja - es gibt paradoxerweise beide Entwicklungen parallel:
Einerseits trocken fallende Kanäle wie im Feb./März 2023 und andererseits ein ansteigender Meeresspiegel der Adria.
Die trockenen Kanäle sind ein kurzfristiger Trend und dürften in Zukunft immer häufiger "auftauchen". Aber der ansteigende Meeresspiegel weltweit ist der langfristige Trend. Und bedeutet: Auch immer häufiger werden die Boote kaum mehr unter den Brücken hindurchkommen - siehe Foto

Seit dem Ausbaggern von tiefen Verbindungen der Adria zur extrem flachen
Lagune von Venedig für große Tanker und Kreuzfahrtschiffe im 20. Jahrhundert,
seitdem erst kann Meereswasser in großen Mengen in die Lagune eindringen und große
Hochwasser in Venedig verursachen. Überschreitet der Wasserpegel mehr als 110 Zentimeter
des tiefsten Punktes von Venedig, dann werden auch die hochwassergeplagten
Venezianer nervös und studieren die 4-Tage-Gezeitenvorhersage, die im Netz und
öffentlich bei den Vaporetto-Haltestopps Bahnhof und Rialto einsehbar ist:
Bei über 100 Zentimeter über Normal-Null (links oben im Bild rot markierte Werte) werden
ohne Hochwassersperre der Markusplatz und zunehmend die fondamente (Ufer-Fundamente)
überflutet. Ist es lediglich der Markusplatz, scheut sich die Stadtregierung, das
Flutsperrwerk MOSE hochzufahren, weil dieser technisch aufwendige Vorgang jedes Mal
eine Viertelmillion Euro kostet!

Hochwassermarkierungen an einem Cafe. Das höchste Acqua Alta war 1966; hier im Bild bereits auf Höhe des Fenstersims im Erdgeschoss. Ebenso wie das von 2019, das mit 1,87 m nur 7 cm niedriger ausfiel. Bei dieser Stadtführung erfahren Sie, dass aber der Klimawandel die geringste Ursache ist - siehe 1966 - sondern vielmehr hausgemachte Probleme der letzten 60 Jahre das Acqua alta in die Lagune hinein geschwemmt haben.
Darum beschäftigen wir uns bei dieser Führung mit folgenden Fragen:
___ Warum war Venedig im Wasser der Laguna für Feinde unangreifbar,
obwohl das flache Wasser der Lagune oft weniger als einen Meter tief war?
___ Versinkt Venedig schneller als der Meeresspiegel ansteigt
oder ist es doch umgekehrt?
___ Sind Gebäude eingestürzt aufgrund von
Venedigs weichem Untergrund oder ist der gar nicht mehr weich?
___ Warum ist seit 100 Jahren praktisch kein Gebäude mehr eingestürzt?
Als letztes größere Bauwerk stürzte 1902 mit dem 99 Meter hohen Campanile
am Markusplatz ausgerechnet Venedigs höchster Turm ein. Was die Ursache dafür war,
wie der Einsturz ablief und warum seine 1912 wiedererrichtete
Kopie sich inzwischen bereits wieder zu neigen begonnen hat, darüber
reden wir bei dieser Stadtführung.
Ansonsten werden gefährdete Bauten heutzutage entweder
rechtzeitig abgerissen oder lassen sich (noch) abstützen.
Wir schauen uns bei dieser Tour ein spektakuläres Beispiel dafür an,
wie ein bedenklich schief stehender Turm bislang stabilisiert werden
konnte.

Hier ein besonders dramatisch aussehendes Beispiel: Der Turm
steht nur dank massiver Betonstützen mit zweieinhalb Metern Überhang stabil.
Er war davor bereits einmal eingestürzt.
Diese steile, schräge Wucht, die man hier wahrnimmt, sobald man
darunter steht, ist schwer in Fotos zu fassen ...
Eine Lagune (laguna = flaches Wasser, im Deutschen Nehrung oder Haff) entsteht, wenn durch Sandbänke wie beispielsweise dem heutigen Lido ein flaches Wasser teilweise vom Meer getrennt wird. So eine zum Meer hin nur noch ein bißchen geöffnete Lagune ist ein höchst instabiles Gebilde und existiert normalerweise keine 2000 Jahre lang. Aber genau dies hat die Seerepublik Venedig durch ihre Flussumleitungen tatsächlich zustande gebracht.
Die Lagune von Venedig ist also ein flacher Zwischenraum zwischen
Adria-Meer und dem Festland und eine Art Zwischending, das bereits
teilweise in Umwandlung zu einem Binnensee begriffen ist
(nördlich von Venedig die laguna morta), während von Venedig Richtung
Süden hin der steigende Meeresspiegel mit seinen Gezeiten immer
noch sein Salzwasser durchspült und damit eine Art biologische Kläranlage
bildet. Diesen Prozess der Selbstreinigung kann die Lagune
infolge des Sperrwerks MOSE nicht mehr lange aufrecht erhalten und
müsste Mitte des 21. Jahrhunderts durch eine neue, andere Lösung
ersetzt werden. Ließe man der Natur ihren freien Lauf, stirbt
sonst entweder die Lagune oder die Stadt Venedig, im schlimmsten
Falle beide. MOSE kann das also nur noch wenige
Jahrzehnte aufhalten.
Fast völlig veralgte und verschlammte Treppe, die vor 300 Jahren noch fast algenfrei war.
Vor 300 Jahren wurden die obersten Stufen dieser Treppe nur
vom damals noch gelegentlichen Acqua-Alta-Hochwasser erreicht.
Heute fast bei jeder FLut (also alle 12 Stunden), so dass inzwischen
fast alle Stufen der alten Treppe veralgt sind. Das wissen wir recht
gut aus einem alten Canaletto-Gemälde dieser Treppe, bei dem der
grüne Algenrand am Kanalufer noch wesentlich tiefer lag.
Frage: Um wie viele Zentimeter, nein, um wie viele Dezimeter bzw. um wie viele Stufen - um hier im Bild zu bleiben - ist seit 300 Jahren hier der durchschnittliche Wasserpegel angestiegen? Darüber reden wir bei dieser Führung.
Aber warum haben sich dort überhaupt Menschen angesiedelt - in
einem eigenartigen amphibischen Lebensraum zwischen Sumpf,
Sandbänken und Meer? Als Hauptgrund gilt die Generationen
anhaltende Völkerwanderung nach dem Ende des alten Rom. Jeder
Volksstamm, der dann südlich der Alpen durch Europa zog,
musste durch den Engpass zwischen Alpen und Veneto-Lagune - und
plünderte die dortigen Einwohner aus. Bis diese auf die
rettende Idee
kamen, sich in die sehr flache, sumpfige Lagune zurückzuziehen.
Obwohl die meist kaum tiefer als ein Meter war, scheiterten
Angreifer wie die Truppen Karls des Großen dort kläglich,
auch spätere Angreifer wie z.B. Genua.
Warum so ein Flachwasser militärisch kaum angreifbar ist,
erzählen wir Ihnen bei dieser Führung.
Fast 50 Generationen von Menschen haben Venedig
auf_circa 10-Mio-Baumstämmen_errichtet.
Leider gibt es keine einzige Stelle, wo man einen
"Querschnitt" Venedigs und die historische Pfahlbauweise
quasi "live" zeigen könnte. Wir schauen uns das dann
aber an umfangreichem Bildmaterial an.
Denn: Käme irgendwo auch nur gelegentlich Luft samt
Sauerstoff an die Fundamente, begänne sofort ein
Zerfallsprozess und darum darf es solche Stellen
in Venedig möglichst nicht geben.

Eine von zig alten Arsenale-Hallen in Renovierung. Interessant dabei: die hier ausnahmsweise mal sichtbaren Baumstämme und Pfähle zur Sicherung des Untergrundes.
Dieser Wald von etwa 10 Mio. Baumstämmen schützt aber
Venedig(s Lagune) nicht vor ihrem jetzt
bevorstehenden Untergang: Entweder wird sie verlanden - wie einst
Ravenna oder wie jetzt der nördliche Teil der Lagune, die laguna morta.
Oder Venedig wird irgendwann vom steigenden Meeresspiegel überspült:
Zeithorizont um oder vor 2100, je nach Dynamik des Klimawandels.
Dass nämlich eine Lagune nach 1500 bis 2000 Jahren noch fast unverändert
existiert, ist von der Natur nicht vorgesehen. Eine Lagune ist ein
durch Sandbänke vom Meer zeitweise abgetrennter Meeresarm. Über
kurz oder lang verlandet die Lagune oder das Meer verschlingt sie.
So wurde das alte Städtchen Malamocco - einst Sitz der Dogen vor dem Umzug
nach Rialto - 1106/07 durch Erbeben und Sturmfluten vollständig
vernichtet (Fukushima lässt grüßen) und annderer Stelle neu erbaut.
Der Schreiber dieser Zeilen hat innerhalb weniger Jahre
an der Küste des westafrikanischen Togo miterlebt, wie eine ganze
Hotelanlage vom Meer verschluckt wurde und wenige Kilometer weiter
nach einer Sturmflutnacht Sandbänke begannen, eine neue Lagune zu bilden
und das Meer sich dazu plötzlich von einem anderen Strand- und
Luxushotel um 150 Meter zurückgezogen hatte. Eine Küstenlinie ist
an flacheren Meeresabschnitten eben mal nichts Fixes und Lagunen
sind von Natur aus extrem flach ...
Es gab in der Antike in der nördlichen Adria eine ganze Anzahl
dieser Meeresarme - fast alle waren bis zum Mittelalter verschwunden.
Dass Venedig trotzdem heute noch von Salzwasser umspült wird und
nicht längst das gleiche Schicksal erlitten hat wie die
einst südlich davon gelegene Hafenstadt Ravenna, die heute verlandet
etwa 8 Kilometer im Landesinneren liegt, verdankte die alte Seerepublik
massiven ökologischen Eingriffen ihrer mittelalterlichen
Führungsriege - durch Flussumleitungen. Schließlich ist die
flache Po-Ebene Norditaliens
durch Flüsse aus den Alpen entstanden und wird sich so immer weiter
ausdehnen Richtung Kroatien und auf Kosten der Adria.
Die venezianische Lagune ist in diesem Kräftespiel zwischen Land und
Meer ein besonders fragiles Gebilde, das die Natur nun mal nicht
auf Dauer angelegt hat.
Welche wichtige Rolle spielt dabei der Wirtschaftshafen von Venedig und
seine Lobbyisten? Gemeint ist nicht der überwiegend als Touristenhafen
fungierende Hafen in Tronchetto, sondern der Hafen Marghera für die
Öltanker und anderen Wirtschaftsgüter, der über eine eigenen (zu) tief
ausgebaggerten Zufahrtskanal verfügt.
Wie wird eigentlich das Abwasser von Venedig geklärt?
Wo kam früher das Trinkwasser her in diesem Salzwasser der Lagune?
Derjenige, der hier schreibt, ist Wirtschaftsgeograf und wunderte
sich seit mindestens 20 Jahren, mit welch stoischer Gleichmütigkeit
die meisten Venezianer glaub(t)en, das mit dem Hochwasser ginge schon
immer irgendwie gut. Obwohl ihre Hafenverwaltung durch das immer
tiefere Ausbaggern der Hafenzufahrt ein immer schnelleres Einströmen
des Acqua alta beschleunigt hat. Letztlich ist also die extreme
Überflutung des Hochwassers von 2019 so mit herbeigeführt worden.
Kurios ist ab 2021 folgendes: Die Venezianer und ganz besonders die Händler am Markusplatz hoffen jetzt bei drohendem Hochwasser auf eine möglichst schlimme Hochwasservorhersage - damit MOSE auch wirklich seine Sperren schließt. Da aber jede einzelne Schließungsaktion reine 200.000 Euro an zusätzlichen Betriebskosten verschlingt, lautet die neue Ansage der Stadtverwaltung: Bei gering zu erwartendem Hochwasser, das nur die tiefgelegene Piazza San Marco leicht unter Wasser setzt, will die Comune di Venzia keine 200.000 Euro ausgeben. Die Besucher können über die Passarelle / Stege laufen, die darum auch nicht aus der Stadt verschwinden werden. Pech für die Händler am Markusplatz und wohl auch zum Vergnügen einiger Touristen, die gerne mal barfuß im Wasser treten auf Europas schönstem Platz.
Bis 2020 hieß es:
MOSE wird kommen, um Venedig vor dem Wasser zu retten :-)
Jetzt müsste es heißen:
MOSE ist gekommen, wird aber Venedig nur eine Gnadenfrist gewähren.
Nun, M.O.S.E. (MOdulo Sperimentale Elettromeccanico)
dürfte gerade einige Jahrzehnte Schutz geben können, aber nicht
mehr zu Ende unseres Jahrhunderts, so ein deutscher Fachmann
vom venezianischen Meeresforschungsinstitut. Das genauere
dazu erzähle ich Ihnen bei dieser Stadtführung.
Venedig hat ein Problem, das so kaum eine Stadt hat: Die Stadt und insbesondere ihre rii bzw. Kanäle funktionieren nur, solange der Wasserpegel nicht zu hoch UND nicht zu niedrig ist. Im Hochwasserfalle kommen Boote nicht mehr unter den Brücken durch und bei Niedrigstwasser bleiben die Boote einfach in Pfützen liegen, in die sich die Kanäle bei Wassermangel verwandeln.
Venedig ist mit seinem Problem nicht alleine, weltweit droht
Küstenstädten die Überflutung. Nur ein Beispiel: New Orleans
droht als Insel von Lousiana abgetrennt zu werden und muss
etwas lernen, womit Venedig seit undenklicher Zeit bereits lebt.
Es gibt in Afrika eine ähnliche Fluchtstadt, die im Wasser einer
Lagune gebaut wurde.
Interessanterweise entstand auf der Flucht von Sklavenhändlern
im westafrikanischen Benin im Lagunensee Lac Nokoué eine
ähnliche Siedlung wie vielleicht das frühe Rialto (heute Venedig)
gewesen sein könnte.
Die Dorfbewohner von Ganvie machten das flache Wasser und die
Inseln des Lac Nokoué zu einem Zufluchtsort und werden oft
als "Wassermänner" bezeichnet, Ganvier wiederum oft als das
"Venedig Afrikas". Heute zählt es 20.000 Einwohner.
Die Parallele zur Entstehung Venedigs ist nicht zu übersehen.
Denn die Inseln der venezianischen Lagune wurden
ja in der turbulenten Zeit der sogenannten Völkerwanderung
von Menschen besiedelt, die bereits über mehrere Generationen
von durchziehenden Volksstämmen auf dem Festland überfallen worden
waren und eine sichere Heimat auf Holz-Stelzen in der Lagune
suchten.
Bei Filmaufnahmen aus Ganvier - Video unter https://en.wikipedia.org/wiki/Ganvie - bekommt
man einen Eindruck davon, wie primitiv
ähnlich der Völkerwanderungszeit vielleicht die
Hütten auf Stelzen im frühesten Venedig gewesen sein könnten.
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