Der Ausverkauf Venedigs
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Overtourism, Kreuzfahrtschiffe, "Hotellisierung" und AirBnB verdrängen die Bewohner Venedigs. Investoren, darunter viele chinesische, kaufen systematisch Hotels, Palazzi und ganze Ladenstraßen auf. Dazu kommt eine undurchsichtige Kommunalpolitik im Sinne von Kreuzfahrtschiff- oder Immobilien-Investoren und anderen Lobbyisten.
Blick aus einer Gasse auf ein Kreuzfahrtschiff, das vor Zattere vorbeifährt.
Die größte Bedrohung für Venedig ist neben dem Wasser und dem Klimawandel die Korruption ...
"Venedig ist tot - es lebe VeniceLand" - so betitelte die Deutsch-Venezianerin Petra Reski bereits 2017 ihre Abrechnung mit dem heutigen Venedig im Merian-Themenheft Venedig. Sie fühlt sich als eine der letzten Bewohner(innen) Venedigs als Statistin in einem ausverkauften Disneyland mit Renaissance-Kulisse. Um die bittere Wahrheit mit anderen Worten auszudrücken: Venedig wäre heute ohne seine Besucher wirklich tot - siehe Ccorona ...
"49.722 Einwohner" ist 2022 die Anzeige einer seit Jahrzehnten rückläufigen
"Einwohneruhr" im Schaufenster der Apotheke Morelli, auf die jeder stösst,
der gerade von der Rialto-Brücke nach San Marco herunterkommt (etwas linker Hand).
Die sinkende Einwohnerzahl Venedigs, gemeint ist damit die der
"Hauptinsel", des centro storico, dessen Einwohnerzahl
im Januar 2023 offiziell 49.722 betrug; real aber vermutlich eher
bei nur noch 35.000 liegt. Wo aber sind die übrigen 15.000 abgeblieben?
Bis in die Nachkriegszeit waren es noch weit über 150.000 Einwohner.
Das einst so kleine Mestre auf der terra ferma, dem Festland gegenüber,
ist zur Fluchtburg der durch immer teurere Mieten verdrängten Venezianer
geworden und zählt bereits an die 200.000 Einwohner - und
beherrscht somit Venedigs Altstadt
und die Inseln, um von dort die Einnahmen durch den
Tourismus abzuschöpfen. Warum es nur noch 30.-40.000 statt der
gemeldeten 50.000 Bewohner sein dürften, darüber reden wir bei
dieser Stadtführung.
1797 endete die Selbständigkeit der Seemacht
Venedig, die einst das halbe Mittelmeer beherrschte.
Dann stand Venedig unter der Fremdherrschaft
von Napoleon und Österreich. Seit 1866 gehört Venedig zu
Italien und seit Mussolini empfinden sich manche Bewohner
der Altstadt eher als eine Kolonie ihres einstigen Vororts
Mestre, mit dem die Inselstadt fusioniert wurde.
Nach 1966, dem größten Hochwasser seiner Geschichte, begann
der Exodus der Venezianer. Dass diese Überschwemmung ebenso
wie das fast gleich hohe "Acqua alta" von 2019 weniger
dem Klimawandel zuzuschreiben ist, sondern massgeblich
Venedigs Politik im 20. Jahrhundert zu verdanken ist, auch
das gehört als Thema zu dieser Führung.
Mit mehr als 22 Millionen Touristen im Jahr war Bangkok vor
der Corona-Pandemie angeblich die meistbesuchte Stadt
der Welt. Nur: Venedig hatte 2020 inklusive der Tagestouristen
an die 30 Millionen Besucher, die sich auf einem centro storico
von 7 qkm drängten, was Venedig im Vergleich zu Bangkok
als winziges Dorf erscheinen lässt.
Hier liegt das Problem, auch Overtourism genannt.
Wir zeigen Ihnen bei dieser Tour einmal ein oder zwei alte Palazzi, die in jüngster Zeit
in Hände ausländischer Investoren gelangt sind, was nicht bedeuten muss,
dass Sie dort irgendein Lebenszeichen entdecken können. Zum anderen aber
auch zwei bis drei Palazzi, wo nach langem Leerstand neues Leben eingezogen ist
bzw. wieder einziehen soll. Ein Palazzo ist sogar recht positiv zu bewerten,
weil der Investor und Kunstmäzen hier der Öffentlichkeit moderne Kunst
nahe bringen will, auch außerhalb der Biennale.
Hier sehen wir einen seit einem Jahrzehnt verwilderten Garten und das
in einer superzentralen Lage; dahinter ein 20 Jahre leerstehender Palazzo.
Man kann das auch als Immobilienspekulation bezeichnen. Inzwischen ist
die Zukunft des Objekts zugunsten eines neu in Europa tätigen
US-Investors geklärt, der so etwas wie ein 6-Sterne-Hotel daraus machen
will. Wir gehen bei dieser Führung dorthin und schauen uns das an.
Kreuzfahrtschiffe dürfen künftig nicht mehr in die Lagune
von Venedig einfahren !?
Doch - lediglich die ganz fetten Kähne nicht mehr ...
... aber solche wie dieses schon; gesehen im Sommer 2022 im Tronchetto-Hafen.
Mal sehen, wie lange Venedig das derzeitige Verbot durchhält. Meine reale Beobachtung: Nach der vorvorletzten pressewirksamen Ankündigung zur Umleitung der Kreuzfahrtkähne zum Industriehafen in Marghera dauerte es nur vier Monate bis die schwimmenden weißen Hotelburgen wieder vor dem Dogenpalast vorbeischipperten. Bei der (vor)letzten keine drei Monate; im Juni 2021 starteten bereits die ersten Riesenkähne wieder in Venedig.
Es geht nämlich nur um eine andere Einfahrt in die Lagune statt der bisherigen an San Marco vorbei. Um im Industriehafen Marghera anlegen zu können, müsste erst mal für ca. 200 Mio. Euro eine Kreuzfahrt- Terminal gebaut werden. Irgendwann wird dieser wohl kommen. Und wer hat zufälligerweise vor kurzem das dafür vorgesehene Hafengrundstück aufgekauft? Ein Unternehmer, der im Hauptberuf Bürgermeister von Venedig ist, auch wenn er gar nicht im alten Venedig wohnt.
Es zeigen sich beim Kreuzfahrerthema zwei Parteien mit völlig unterschiedlichen Interessen: Einmal die italienische Regierung, die den Weltkulturerbe-Status Venedigs retten will; und zum zweiten die politische Führung der Commune di Venezia, die schon immer mit den kommerziellen Interessen paktiert hat; in diesem Falle hier mit den Hafenbetreibern, denn bei denen haben die Kreuzfahrtschiffgesellschafter anteilsmäßig das Sagen. Würde ein echtes Verbot für die Kreuzfahrer kommen, betrügen die vom italienischen Staat zu zahlenden Ausfallentschädigungen an die 200 Mio. Euro ... Und: Entstünde für die Kreuzfahrer eine weitere Tiefsee-Einfahrt, so würde durch dessen Ausbaggerung künftig noch mehr Hochwasser mit mehr potenziellen Überschwemmungen nach Venedig kommen und MOSE wäre irgendwann überstrapaziert. Denn bereits vor Jahrzehnten hat die venezianische Politik durch Ausbaggern aus der Lagune eine erweiterte Adria für die Durchfahrt der ganz großen Schiffe gemacht und dürfte die wahre Ursache der großen Hochwasser sein - und nicht der stattfindende Klimawandel. Denn der war 1966 so noch nicht da.
KEINE KREUZFAHRTSCHIFFE MEHR VOR SAN MARCO< so lautet immer wieder mal eine Pressemeldung aus Venedig, zuletzt am 1. April 2021 (sic!) in der Süddeutschen Zeitung.
am . Regelmäßig fällt die Weltöffentlichkeit auf solche Nachrichten rein, weil keiner im Ausland nachrecherchiert. Der Schreiber dieser Zeilen glaubt eher der in Venedig lebenden deutschen Journalistin Petra Reski, die sich immer wieder darüber wundert, wieso die Weltöffentlichkeit sofort solche Nachrichten glaubt.
Davor muss nur noch ein neuer Hafen AUSSERHALB der Lagune
gebaut werden, wofür jetzt erst mal ein Ideenwettbewerb
stattfinden soll ... Es wird also lediglich nur noch einige
Jahr(zehnt)e dauern. "Bis es dann mal so weit ist und ein neuer Hafen
die großen Schiffe schon vor der Lagune abfängt, werden
sie nach Marghera umgeleitet." ( SZ v. 1.4.2021).
Derzeit legen die Superkähne entweder in
Monfalcone nahe Triest oder in Marghera an.
Bei dieser Führung reden wir darüber, dass alleine die
Eigentumsverhältnisse des Hafens von Venedig dafür
sorgen dürften, dass die Kreuzfahrtschiffe vielleicht auch
dann noch San Marco ansteuern dürften, wenn nur noch der
Campanile samt anderen Türmen Venedigs aus der dann längst
von der Adria überfluteten Lagune ragen dürften.
Allein im Jahr 2019 geriet zwei Mal einer der großen Kreuzfahrtkähne direkt an der südlichen Uferfront Venedigs außer Kontrolle; die Videos davon, was dann passierte, sind bei YouTube zu besichtigen. Eines der Monsterschiffe rammte dann ein anderes "kleines" Binnenkreuzfahrtschiff (knapp 100 Meter lang), bevor es die Ufermauer touchierte. Hier eines der Youtube-Videos davon, schauen Sie mal genau hin, wie Leute vom kleinen Kreuzfahrtschiff in letzter Sekunde vor dem Crash an Land flüchten - und ins Wasser fallen. Wir bringen Sie dorthin, wo damals nur haarscharf einige Dutzend Menschen unter Lebensgefahr doch noch heil davon kamen.
Es gibt durchaus Überlegungen, wie sich der Overtourism begrenzen bzw. entschleunigen ließe. Vor Corona wollte Venedig noch ab Sommer 2020 eine Tourismussteuer bzw. eine je nach Andrang variable "City-Maut" einführen, die jetzt auf Juni 2022 verschoben ist. Tourismusforscher haben da durchaus noch härtere Ideen, wie z.B. die Anzahl der Touristen pro Tag zu begrenzen oder z.B. San Marco vielleicht stundenweise zu sperren, während andere noch nicht ganz so überlaufene Stadtteile noch zugänglich sind. Entsprechende Fußgängerschleusen an den Hauptlaufrouten hatte man immerhin schon mal getestet - vor Corona. Venedig steht mit diesem Problem ja nicht alleine da; Barcelona oder Amsterdam haben ähnliche Probleme und könnten in naher Zukunft Maßnahmen ergreifen, wovon wiederum Venedig lernen könnte.
Was kostet inzwischen ein Quadratmeter Wohnraum egal wo in Venedig? Und warum sollte man diesen Platz eigentlich als Wohnraum "zu billig" an Einwohner Venedigs vermieten statt sie in ein Airbnb-Urlauberdomizil umwandeln? Das fragen sich leider immer mehr Hauseigentümer Venedigs. Auch in Deutschland erhöht sich heutzutage der Wert einer Immobilie um das Dreifache, sobald man ein Gebäude in ein Hotel umwandelt. Der Bürgermeister Venedigs, der selber ja hier nicht wohnt, gibt dazu nur allzu gerne seine Unterschrift. Ja - liebe Besucher Venedigs alle: Wir sind alle auch ein Teil des Problems ...
Wir schauen uns bei dieser Tour Beispiele dafür an, wo z.B. ein Laden in eine Ferienwohnung umgewandelt wurde oder ein Postamt immerhin in eine Wohnung und wie so langsam die lokale Versorgungsstruktur der Stadtteile Venedigs austrocknet.
In den letzten Jahren hat sich in Venedig sogar eine Hausbesetzerszene
entwickelt. Und dieser geht es gar nicht in erster Linie um Ferienwohnungen.
Sondern um leerstehende Sozialwohnungen, weil die Commune di Venezia
nicht in der Lage oder willens ist, diese zu renovieren ... bis diese dann
von Besetzern in Eigenregie hergerichtet werden.
Auch bei dieser Tour erfahren Sie viel an weniger bekannten Geschichten aus der Historie Venedigs.
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