500 Jahre Reformation in München
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Vor 500 Jahren entwickelte der katholische Mönch und Theologieprofessor Martin Luther den Gedanken, jeder Gläubige dürfe persönlich und direkt mit seinem Gott reden und dabei einen gnädigen, verzeihenden Gott erwarten. Diese damals revolutionäre Vorstellung fand auch in München zahlreiche Anhänger. Zwar wollten Bayerns Herzöge ihre Kirche ebenfalls reformieren - aber ohne Luthers ketzerische Ideen - und so kam es zu einer schmerzhaften Abwanderung vieler Münchner und Mönche. Eine Spurensuche zu den Orten dieses Konflikts im "deutschen Rom".
"Der war eine bombastische Gestalt, ein beeindruckender Gottessucher ..."
"Vor 500 Jahren begann mit Martin Luther eine Bewegung, die sich bis heute auswirkt ..."
So leitet Reinhard Kardinal Marx am 7.1.17 sein Wort zum Sonntag ein (auf Radio Bayern 2), um das religiöse Erdbeben zu beschreiben,
das der Mönch und Theologieprofessor Luther 1517 auslöste, "eine bombastische Gestalt, ein beeindruckender Gottessucher".
Wenn wir heute jedoch mit ehrlichem Blick auf Bayerns Geschichte schauen, dann waren sich Katholische und Evangelische im Alltagsleben hierzulande so an die 450 Jahre dieses halben Jahrtausends nur in herzlicher Abneigung verbunden.
Darum lohnt es sich im Jahre 2017 in der Hauptstadt des "deutschen Rom" per Stadtführung auf Spurensuche zu gehen nach dieser schwierigen und gemeinsamen Vergangenheit.Hier konzentrierten sich die Pole von Reformation und Gegenreformation in München. Rechts im Bild oben das ehemalige Augustinerkloster, dessen Prior Luthers Beichtvater war und von dem bis auf drei alle Mönche München verließen, offenbar weil sie sich ihrem Ordensbruder Luther anschließen wollten. Mit der Gegenreformation in Bayern wird der damals junge Jesuitenorden beauftragt, für den der bayerische Herzog die St.-Michaelskirche (im Bild links) und die damit verbundene Alte Akademie errichten lässt.
Im März 2017 gastierte das eigens für das Jubiläumsjahr komponierte Luther-Oratorium in der Wochen vorher ausverkauften Olympiahalle, das am Jubiläumstag 31. Oktober dann vom ZDF gesendet wurde ("Das Projekt der 1000 Stimmen"). Das gesamte Halbrund hinter der Bühne war dazu mit 2500 Sängern aus vielen Chören Deutschlands besetzt worden (Fotos: Konstandin).
Dass die von Luther an der Bibel orientierten Glaubensauffassungen aus katholischer Sicht Unglaube und Ketzerei war, wurde bereits im Jahrhundert nach Luther für das Münchner Stadtbild in Stein gemeisselt - parallel zur Vertreibung der Protestanten aus Altbayern. So schwingen bis heute im Zentrum der Münchner Altstadt sowohl ein Erzengel als auch ein Kindersoldat (Putto) Lanze und Schwert gegen die "Ketzerei" des protestantischen "Unglaubens".
Am Fuße der Mariensäule kämpft ein Putto-Engel gegen eine Schlange, Symbol des "Unglaubens" = protestantische Ketzerei. Die kleinen Kämpferlein kämpfen mit Schwert gegen die Plagen des 16. Jahrhunderts: Krieg (Löwe), Pestilenz (Basilisk), Hunger (Drache) und "Unglaube" (Schlange).
Auch am Portal der St.-Michaelskirche kämpft der Erzengel gegen ..., ja gegen wen eigentlich? Auf wen sticht der Engel mit seiner Lanze ein? "Der Erzengel Michael, der im Kampf um den wahren Glauben alles Böse dieser Welt mit der Lanze tötet." ( Wikipedia). Schön umschrieben, eindeutig gemeint ist mit dem "Bösen" aber das ketzerische Symbol des neuen protestantischen (Un)glaubens, nicht anders als am Fuße der Mariensäule.
Was war so revolutionär an Luthers Thesen?
Luther kam zur Überzeugung, dass jeder Gläubige direkt mit Gott kommunizieren dürfe und weder Priester
noch Papst zwischen sich und Gott zur Vermittlung oder Sündenvergebung brauche.
Seiner Ansicht nach führten nicht gute Werke und Taten den Menschen zu Gott, sondern allein der Glaube
an die Gnade Gottes. Dies stellte für die seinerzeits allgewaltige römische Kirche und ihre
Renaissance-Päpste eine ungeheure Provokation dar, weil es den Anspruch der römischen Kirche in Frage stellte,
irdisches Bodenpersonal samt Stellvertreter Gottes zu sein.
Dieser Cartoon von Thees Carstens als Buchtitel stellt ganz anschaulich dar, was sich da Luther wahnsinnig Erscheinendes zutraute, indem er die bislang fast unumschränkte Allmacht von Papst und Kirche anzweifelte - und das auch noch unter Berufung auf die Heilige Schrift, die aber - weil in Latein - überwiegend nur Kirchenleute überhaupt lesen und verstehen konnten. Das hier gezeigte Buch des freikirchlichen Pfarrers Andreas Malessa räumt übrigens mit einigen Luther-Legenden auf, zeigt den Reformator in seinem 16.-Jhdt.-Alltag und holt ihn ein Stück von seinem Podest herunter (Verlag SCM Hänssler).
In welcher Welt lebten die Menschen des Jahres 1517 ? In einer von religiösem Denken völlig dominierten Zeit. Jeder 9. Bürger des damaligen Deutschlands war Kleriker, d.h. im Dienste der Kirche. Aber außer einer gebildeten Elite waren die meisten Menschen Analphabeten (was sich in Folge Luthers Bibelübersetzung dann langsam ändern sollte). Praktisch jede Fragestellung wurde damals auch immer zuerst religiös beurteilt.
Um 1500 befand sich jedoch die römische Kirche und ihre Basis bereits seit längerem in einem beklagenswerten Zustand:
Korruption, Ablasshandel oder Vernachlässigung der Seelsorge gaben genügend Anstoß zur Kritik.
Versuche einer Glaubenserneuerung hatte es zum Ende des Mittelalters wiederholt gegeben. Sofern sie von unten kamen,
wurden sie jedoch vom römischen Klerus als Ketzerei angesehen - zu offensichtlich war schließlich auch der Widerspruch
zwischen der Lehre Jesu und dem prachtliebenden Lebensstil der Renaissancepäpste und vieler Fürstbischöfe.
Indem Martin Luther die Bibel in ein volkstümliches Deutsch übersetzte, (anderen vor ihm war das so noch nicht gelungen), forderte er auch alle Leskundigen und Gebildeten dazu auf, selber nachzuprüfen, welche Aussagen des Klerus durch die Heilige Schrift gedeckt sind und welche nicht. Alleine schon dies sollte einen ungeheuren "Oha ...?!"-Effekt erzeugen.
Wichtige Impulse für Bildung und deutsche Sprache
Heute wissen wir, dass Reformation und Luthers Bibelübersetzung auch enorme
Impulse für Sprache und Bildung in Deutschland setzten: Zum einen mit der Herausbildung des Hochdeutschen in
den reformierten deutschen Ländern; Luther selber entwickelte noch heute populäre Begriffe wie Geizhals, Spitzbube oder Lästermaul.
Zum anderen entwickelten sich durch die protestantische Geisteshaltung
a) freies, (selbst)kritisches Denken sowie
b) eine Bildungsrevolution durch die Alphabetisierung protestantischer Gebiete in den folgenden
drei Jahrhunderten. Um die Heilige Schrift selber lesen zu können, fördern evangelische Eltern von nun an
das Lesen und Schreiben ihrer Kinder. Das galt zunehmend auch für Mädchen;
Martin Luther und die hoch gebildete Katharina von Bora ließen ihren Töchtern dieselbe Bildung
zukommen wie ihren Söhnen. Kein Zufall darum, dass das von protestanischen
Wittelsbachern regierte Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1592 als erstes Territorium
der Welt die allgemeine Schulpflicht (für Knaben UND Mädchen) einführte.
Interessanterweise war das die pfälzische Linie der Wittelsbacher,
deren katholischer Zweig dann 1777 auch das katholische Bayern erben sollte und
1799 die Konfessionsgleichstellung nach Bayern bringen wird.
Warum die Reformation ausbrechen musste. Zudem wäre es wohl auch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis schlaue Fürsten einen Anlass suchten, sich aus der Abhängigkeit von der mächtigen römischen Kirche und ihrem Papst zu lösen. Hatte die Kirche früher ähnlich wie Luther auftretende Ketzer wie z.B. Jan Hus einfach abgeurteilt und verbrannt, hatte der widerständige Theologieprofessor Luther plötzlich Fürsten auf seiner Seite, die ihn beschützten. Ganz entscheidend kam Luther aber zusätzlich die einsetzende Medienrevolution des Buchdrucks in Form von Flublättern, Büchern und "seiner" Bibel in deutscher Sprache dazu, was zu einer explosionsartigen Verbreitung der reformatorischen Gedanken weit über Deutschland hinaus führte.
Zwei Flugblätter mit Luther als Inhalt von 1517 und 1519:
Links ein Spottflugblatt gegen den Ablassprediger Tetzel (Luther sitzt rechts oben auf einem Esel, Tetzel steht links unten mit seinem Geldkasten). Gelb markiert ist im Originaltext die berühmte Sentenz "Sobald das Geld im Kasten klingt ..."
Rechts oben abgebildet das Titelblatt der ersten in München veröffentlichten Predigt Luthers, die der Papiermüller Hans Schobser in der Au jenseits der Isar 1519 gedruckt hatte. Bereits drei Jahre später wird jedoch die Verbreitung protestantischer Schriften in Bayern verboten und Drucker Schobser muss die von ihm zuletzt gedruckte Luther-Schrift wieder einstampfen.
Wie reagieren Bayerns Herrscher auf Luther ?
Die beiden Wittelsbacher Herzöge verhalten sich anfangs politisch abwartend, auch, weil sie um die Reformbedürftigkeit der Kirche sehr wohl wissen.
Als sie aber bemerken, dass Luther primär theologisch argumentiert und eine Reformation auch in den Glaubensgrundsätzen anstrebt,
entscheiden sie sich für Rom; später werden sie ihre eigene Gegenreformation einleiten und in München bzw. Bayern die Jesuiten damit beauftragen.
Wie stand Luther zu München?
Es gibt zumindest folgende Aussage des Reformators zur Münchner Kultur: „Die Herzöge von Bayern
lobe ich darin, dass sie die Musik pflegen. Bei uns Sachsen werden Waffen und Kanonen gepredigt.“
Der "evangelischste" Ort Münchens - das Augustinerkloster
Links im Bild gezeichnet das Augustinerkloster und die dazugehörige Brauerei im 16. Jahrhundert. Rechts: Vor der Fertigstellung der (damals neuen und heutigen) Frauenkirche im Jahre 1494 war die Hallenkirche des Augustinerklosters sogar der größte Sakralbau in München
Hier im Augustinerkloster war Luthers Beichtvater Johannes von Staupitz Prior des Konvents.
An diesem Ort dürfte Luther gegessen, geschlafen und gebetet haben z.B. auf seiner Romreise 1510 / 1511.
Die Haltung der Augustiner, denen Luther ja selber angehörte,
und ihre Münchner Gottesdienste dürften aus katholischen Sicht tatsächlich sehr ketzerfreundlich gewesen sein.
Noch 1558 singen hier Gesellen und Bürger der Stadt demonstrativ lutherische Lieder und Psalmen,
was zu Verhaftungen und Verhören führte. Am Ende leben nur noch drei Mönche im Konvent,
alle anderen waren ausgetreten oder hatten München verlassen. Schließlich sind
70% Deutschlands von der römischen Kirche abgefallen und entscheiden sich für reformatorische Konfessionen.
Darum müssen bereits - ein Jahr später - 1559 angeworbene Jesuiten bei den Augustinern einziehen, die im Auftrag des Herzogs
die Gegenreformation gestalten sollen. Die fast völlig verwaiste Augustiner-Bruderschaft
wird ab 1574 mit Brüdern aus Italien und Flandern wieder aufgefüllt.
Ebenso hatte der protestantisch orientierte Teil der Münchner Bürger die Stadt verlassen,
was zum wirtschaftlichen Niedergang führte. Denn die Mehrheit der deutschen Lande dachte inzwischen evangelisch.
Ab 1517 gab es also etwa 60 Jahre lang bekennende Protestanten in München. Aber sie wurden verfolgt, was Abwanderung bzw. Ausweisungen zur Folge hatte - oder noch härtere Strafen: der erste Protestant wurde 1523 öffentlich hingerichtet - 1527 einer angeblich sogar in der Frauenkirche - und der letzte wurde im September 1586 enthauptet.
Hinrichtung von Protestanten im 16. Jahrhundert. Besonders gegen die Wiedertäufer richtete sich die Gewalt der bayerischen Herzöge. Bis 1530 sollen allein 70 bis 100 Wiedertäufer in Bayern hingerichtet worden sein.
Viele oder die meisten der hingerichteten Protestanten scheinen Täufer gewesen zu sein und diese hatten überhaupt nicht Luthers Segen. Denn der Reformator verteidigte längst nicht alle, die sich von seinen Thesen inspiriert fühlten. Luther hegte keinerlei Zuneigung gegenüber der radikalreformatorischen Konkurrenz der Wiedertäufer. Das ging soweit, dass Luther 1531 gemeinsam mit Melanchthon ein Gutachten verfasste, in welchem er sogar die Todesstraße für die Täufer billigte. Denn in den Augen Luthers stellten die (Wieder)Täufer nicht nur die Herrschaft der Papstkirche in Frage, sondern auch die Fürstenobrigkeit und ihr Gottesgnadentum, weswegen die Täufer seit jeher von Sozialisten als frühe Vorläufer verehrt werden. Martin Luther jedoch brauchte "seine" Fürsten als Bündnispartner und Schutzherren, damit seine geistliche Reformation nicht ganz unterzugehen drohte und er vielleicht geendet hätte wie Jan Hus ein Jahrhundert vorher: auf dem Scheiterhaufen.
Links Luthers Widerlegung der Wiedertäufer, rechts seine Ermahnung, die weltliche Obrigkeit nicht in Frage zu stellen. Heutzutage darf jeder die Regierung kritiseren und in Frage stellen, solange er die verfassungesmäße Ordnung akzeptiert. Zur Zeit der Reformation war das noch sehr anders, die Kirche zu kritisieren galt damals als ketzerisch und war quasi verfassungsfeindlich.
Zwar erreichten mit der "Confessio Augustana" von 1555 die Evangelischen ihre Duldung im Reich, aber nur, wenn der Herrscher ebenfalls protestantisch war ("eius regio, cuius religio - eine Ausnahme war ausgerechnet das konfessionell plurale Augsburg, damals übrigens deutlich größer und bedeutender als München). Dementsprechend mussten sich also die Münchner Bürger ausschließlich zum Katholizismus bekennen. Dies führte zur Vertreibung und Auswanderung der oft wohlhabenden und gebildeten Evangelischen. Aber auch die Augustiner - Luthers Gemeinschaft - verlassen weitgehend München. Der Aderlass der Bevölkerung Münchens war so heftig, dass dies zum wirtschaftlichen Niedergang der bayerischen Residenzstadt führte, worüber sich sogar einmal der Münchner Stadtrat beklagte.
München vor 500 Jahren zur Zeit der Reformation - die Frauenkirche ist zwar fertiggestellt, aber ihre Türme sind noch "kopflos".
Denn die Reformation weitet sich im übrigen Nord- und Mitteleuropa weiter aus. 1570 sind bereits 70 Prozent der deutschen Bevölkerung protestantisch. Dann antwortet die römische Kirche mit ihrer Gegenreformation und und der Kaiser unterstützt gewaltsame Rückeroberungen. Schließlich beginnt 1583 das Vorspiel zum Dreißigjährigen Krieg: Der mächtige sowie reichste deutsche Erzbischof und Kurfürst von Köln will evangelisch werden (und heiratet auch gleich). Er will "sein" Erzbistum Köln in ein erbliches, protestantisches Herzogtum zu verwandeln. Sollte ihm das gelingen, wäre die Mehrheit der Kurfürsten evangelisch gewesen und hätte einen protestantischen Kaiser wählen können. Der Kölner Klüngel zieht jedoch nicht mit und so greift darum im "Kölner Krieg" die katholische Seite mit bayerischen Truppen militärisch ein - und gewinnt 1588. Von da an besetzen die Münchner Wittelsbacher für Generationen den Bischofsstuhl des seinerzeits reichsten Erzbistums in Deutschland; übrigens ist Freising & München heute nicht nur das reichste deutsche Erzbistum, sondern - nach der eigenen 2016 vorgelegten Vermögensbilanz - das zweitreichste der Welt.
Die bayerischen Wittelsbacher hatten fast immer vom Bündnis mit dem deutsch-römischen Kaiser
und der römischen Kirche profitiert, ob durch Rangerhöhung (z.B. mit dem Gewinn zweier Kurfürstentitel für die Parteinahme im 30jährigen Krieg)
oder durch Gebietserweiterungen. Auch unter dem neuen Kaiser Napoleon wird man - auch wieder profitabel die Seiten wechseln,
wenn auch nur zeitweise - um Königreich zu werden, erweitert um Franken und Schwaben.
Er galt als fromm, sittenstreng und er wollte den dreißigjährigen Krieg: Herzog Maximilian I. von Bayern.
Das Kriegsglück jedoch ist schwankend, was den konfessionspolitisch motivierten Bürgerkrieg Deutschlands 30 Jahre lange andauern lässt.
1632 nehmen schwedisch-protestantische Truppen München ein, aber die Stadt hat noch großes Glück dabei. Der schwedische König Gustav Adolf verzichtet auf Rache für das vom katholischen Heerführer und Bayern Tilly im Vorjahr zerstörte evangelische Magdeburg (20-25.000 Tote - Tilly's Denkmal steht übrigens in der Feldherrnhalle am Odeonsplatz) und gibt sich mit hohen Lösegeldzahlungen zufrieden. Seine Truppen brandschatzen und plündern "nur" das Umland.
Das blutige Kriegsergebnis ist das Gegenteil des vom bayerischen Herrscher angestrebten Zieles:
Die deutschen Länder sind konfessionell gespalten und auch die Wittelsbacher Dynastie geht danach getrennte Wege:
Die pfälzische Linie war (zum Teil) evangelisch geworden während die bayerische katholisch geblieben war
(die letzten beiden Sätze stammen so fast wortwörtlich von der Website des Fürstenhauses Wittelsbach).
Kaum irgendwo funktionierte das Bündnis von Thron und Altar besser als im katholischen Bayern, wie das Gemälde unten zeigt.
Links das bayerische Herrscherpaar Ferdinand Maria und Henriette Adelaide, rechts der Hofbischof und sein Kaplan. Die Geste des Bischofs auf diesem modernen Bild (von 1902) über dem Altar von St. Joseph in der Maxvorstadt wirkt vielsagend.
Für gut zwei Jahrhunderte lang sind nun praktisch 100 Prozent der Münchner Bevölkerung katholisch. Erst unter dem Einfluss der Aufklärung und Napoleons ändert sich die Lage wieder zu Gunsten der Protestanten in Bayern, obwohl es praktisch überhaupt keine Angehörigen des evangelischen Bekenntnisses mehr in München gibt (genauer gesagt: noch drei - 3 ).
Kurioserweise erfolgte ihre Rückkehr von ganz oben her - vom Herrscherhaus. Zu Zeiten der Aufklärung schleicht sich das Evangelische ausgerechnet über die Hofgesellschaft wieder in Bayerns Hauptstadt ein: Ungeplant, aber aus nachvollziehbaren dynastischen Gründen beginnen die katholischen Herrscher Bayerns generationenlang protestantische Prinzessinen zu ehelichen.
1799 findet auf Veranlassung der neuen bayerischen und evangelischen Kurfürstin Karoline (von Baden) der erste protestantische Gottesdienst Münchens in Schloss Nymphenburg statt - 1806 wird Karoline die erste Königin Bayerns.
Geflüchtet vor Napoleon, verliebt sich der künftige bayerische Regent Max Joseph im Ansbacher Exil in die ebenfalls vertriebene evangelische Prinzessin Karoline von Baden. Um sie zu heiraten, erfüllt er als Anhänger der Aufklärung gerne ihre Bedingungen: einen eigenen evangelischen Hofgeistlichen und evangelische Gottesdienste in der Residenz.
Grab und Grabinschrift des ersten protestantischen Bürger Münchens der Neuzeit auf dem alten Südfriedhof: Der Weinhändler Johann Balthasar Michel war aus Mannheim - also von der bayerischen Pfalz - nach München gekommen und konnte nur unter dem Druck des Königs trotz der ablehnenden Haltung der katholischen Münchner Stadtspitze als "Evangelischer" Bürger der bayerischen Landeshauptstadt werden.
1801 zwingt Kurfürst Max Joseph (Bild links unten) die Stadt München, einen evangelischen Mannheimer Weinhändler als ersten evangelischen Münchner Bürger aufzunehmen, was der Stadtrat verweigert hatte "weil Protestanten kein Bürgerrecht zustünde". Von der Reformationszeit bis 1800 war es in München verboten, Juden oder Protestanten auf Münchner Friedhöfen zu beerdigen.
Bereits zwei Jahre später zählt der Magistrat 800 evangelische Bürger und der Kurfürst erlaubt die Errichtung
eines 900 Personen fassenden üppigen Betsaales in der Residenz.
Diese Gottendienste werden recht schnell öffentlich für die nun - insbesondere aus evangelisch-Pfälzer Regionen - rasch zuziehenden Protestanten.
Der eher zufällig auf den Münchner Thron gekommene und ab 1806 plötzlich erste bayerische König Max I. Joseph (links und in der Mitte sein Monogramm) ist ein französisch-aufgeklärt erzogener Pfälzer Wittelsbacher (und ehemaliger Freimaurer) sowie bürgernaher Mensch, der nie auf die Idee kommen wird, sich diese Königskrone auch wirkich aufzusetzen (diese wurde immer nur neben ihm liegend abgebildet). Mit seinem langjährigen Berater und späteren Superminister (und ehemaligen Illuminaten) Maximilian Graf von Montgelas an der Seite erschafft er einen der ersten modernen deutschen Verfassungsstaaten mit Religions- und Konfessionsfreiheit, Pressefreiheit, Gleichheit vor dem Gesetz und einer unabhängigen Rechtsprechung.
Einträchtig versöhnt von einem offenbar ökumenischen Engel: Links der katholische Hofbischof Franz Ignaz von Streber und rechts der aus Baden kommende evangelische Kabinettsprediger Pfarrer Friedrich Schmidt, der auf die Bibel deutet: "Dein Wort ist die Wahrheit", was einst auch die Inschrift über dem Portal der ersten Matthäuskirche auf der Sonnenstraße war. Trotz späterer erneuter Diskriminerung von Protestanten in München unter Ludwig I. - diese Gedenkplatte blieb im Stadtzentrum erhalten. Wir zeigen sie Ihnen bei dieser Stadtführung.
Bei modernen Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts finden sich in München sogar sehr ähnliche Kunstwerke auf den Turmspitzen. Links ein Engel mit Trompete auf der lutherischen Matthäuskirche, rechts auf einer katholischen Kapelle am Leopoldplatz in Schwabing. Was aber nicht verwundern muss: die Sakralarchitektur war schon immer sehr vom architektonischen Zeitgeist bestimmt. So sieht die evangelische St. Lukaskirche von 1896 durchaus der großen jüdischen Synagoge am Lenbachplatz (1887 erbaut und 1938 von den Nazis zerstört) recht ähnlich - beide haben denselben Architekten.
Im Zuge des napoleonischen Zeitgeistes kommt erstmals auch die romtreue bayerische katholische Kirche unter staatliche Repression. Sie wird im Zuge der Säkularisierung unter König Max Joseph und Montgelas auch in München teilweise enteignet, darf sich aber bald wieder unter dem nachfolgenden, wiederum sehr katholisch orientierten König Ludwig I., davon "erholen". So dass bereits 200 Jahre später das Münchner Erzbistum das mindestens zweitreichste der Welt ist (mit ca 6 Mrd. Euro Vermögen 2015, nach dem von Chicago; 2018 vorgeblich nur noch 3 1/2 Mrd. infolge von Stiftungsauslagerungen) - oder vielleicht doch das weltweit reichste - wie es der Bayerische Rundfunk vermutet, was wir aber dem Erzbischof nicht wünschen wollen. Das könnte nämlich - so "DIE ZEIT" - die Position des ja durchaus sozialkritisch denkenden Kardinals und obersten deutschen Katholiken nur "heikel machen" ... Übrigens: Das einst reichste Erzbistum von Köln, viele Generationen lang von bayerischen Wittelsbachern regiert, verfügt heute über weniger Vermögen als die Evangelische Landeskirche in Bayern.
Die ersten evangelischen Kirchen Münchens
In der obigen Collage aus 19.-Jhdt-Stadtplan und heute sieht man links unten den Autoverkehr aus der Schwanthalerstraße in die Sonnenstraße einmünden, genau dort, wo von 1833 bis 1938 lang die erste Matthäuskirche ihren Platz hatte. __ Quelle: bavarikon.de
Ursprünglich hätte sie eine von Klenze entworfene Kirche am Odeonsplatz werden sollen in Form eines gewagten Rundbaues. Aber der Platz an der Residenz war 1822 Münchens Protestanten zu laut, die Pläne des klassizistischen Hofoberarchitekten des Königs zu teuer und zudem war König Ludwig I., der Sohn und Nachfolger des toleranten Max Joseph, dagegen. Übrigens verhindert der erzkatholische Ludwig I. ebenso, daß in der von ihm 1842 feierlich eingeweihte Walhalla oberhalb der Donau - gedacht für die "bedeutendsten aller Deutschen" - dass dort eine von Ernst Rietschel gestaltete Marmorbüste Martin Luthers Eingang fand.
Zurück zum ersten evangelischen Kirchenbau Münchens: Nach langem hin und her entstand dann nach einem Entwurf des königlichen Oberbaurats Johann Nepomuk Pertsch 1833 die erste selbsterbaute evangelische Kirche Münchens auf der Sonnenstraße, nahe dem Stachus. Sein Entwurf war verdächtig dem Klenze-Entwurf ähnlich und machte einen Art italienischen Campanile zum Turm. Im Volksmund wurde sie wegen iher Lage zwischen Karlsplatz und Sonnenstraße auch "Stachus-Kirche" oder "Sonnenkirche" genannt.
Die alte Matthäuskirche kurz nach ihrer Fertigstellung 1833 im colorierten Pöppel-Stich (die Beschriftung lautet dort "Protest:Kirche"). Und im Foto links oben die Kirche kurz vor ihrer Sprengung im Sommer 1938.
Leider stand sie nur ein Jahrhundert: Die Nazis ließen sie 1938 als "Verkehrshindernis" beim Ausbau des Altstadtringes abreißen. Der brave (katholische) Kirchensteuerzahler, aber bekanntermaßen antiklerikal eingestellte Adolf Hitler hatte sich beim Umbau seiner "Hauptstadt der Bewegung" große, breite Aufmarschstraßen für seine militärischen Paraden gewünscht und so fand sich der geeignete Vorwand zum Kirchenabriss auf der Sonnenstraße. Nur drei Wochen Zeit hatte die Gemeinde nach dieser willkürlichen und schockierenden Anordnung, ihr Gotteshaus zu räumen bevor die Abrissbagger anrollten.Zwei alten Postkarten (unten) aus der Zeit um 1900 zeigen die Lage der von den Nazis "als Verkehrshindernis" abgerissenen erste Matthäuskirche (das linke Bild den Blick von Seiten des Sendlinger Tores her, das rechte Bild vom Stachus aus gesehen und im Foto violett eingerahmt).
Wir zeigen Ihnen bei dieser Führung, wo genau die frühere Matthäuskirche lag und
gehen an ihren ursprünglichen Altarplatz.
Weitere Darstellungen der 1896 fertiggestellten St.-Lukas-Kirche an der Isar finden Sie ganz unten, wenn Sie zum Ende dieser Seite herunterscrollen. Von den evangelischen Kirchen im historisierenden Baustil der Jahrhundertwende ist sie die einzige, die fast vollständig erhalten ist, trotz NS-Zeit und Zweitem Weltkrieg.
Heute
Heute ist das Verhältnis zwischen katholisch und evangelisch auch in Bayern sicherlich besser als jemals zuvor, wahrscheinlich auch dadurch begünstigt, dass sich die beiden großen "Amtskirchen" inzwischen gemeinsam in der Defensive befinden gegenüber dem Zeitgeist einer zunehmend pluralistischen oder sich "entchristlichenden" Gesellschaft. Oder ist es doch eher nur eine "Entkirchlichung", die da stattfindet? Aktuelle Studien belegen nämlich nicht, dass das spirituelle Interesse in Deutschland heutzutage geringer wäre als vielleicht in den 1970er Jahren; lediglich die kirchlich-konfessionelle Bindung ist auch in der bayerischen Bevölkerung - wie fast überall in der westlichen Welt - deutlich zurückgegangen.
Leider scheint es heute für kirchenferne Menschen zunehmend schwieriger,
noch einen deutlichen Unterschied zwischen katholischer und evangelischer Glaubenspraxis
zu erkennen - außer vielleicht an einigen speziell katholischen Feiertagen.
Woran könnte das liegen? Daran, dass vom protestantichen Feuer früherer Zeiten
nicht mehr viel spürbar ist? Allen Christen und ihren Kirchen würde heute mehr vom Glaubenseifer
und der Begeisterung Martin Luthers gut tun - meint der katholische Oberhirte Reinhard Kardinal Marx
...
Türme der alten und neuen Matthäuskirche. Auf dem Foto links oben ist gut erkennbar, dass die Sonnenstraße ursprünglich aus größeren Gartenanlagen außerhalb der Altstadt bestand. Bis sie für den Verkehr immer wichtiger wurde, was dann den Nazis den Vorwand bot, neben der großen jüdischen Synagoge am Lenbachplatz auch gleich die alte Matthäuskirche abzureißen. Nicht nur für den Verkehr, sondern zur Schaffung einer großen Aufmarschstraße zwischen Sendlinger Tor und dem heutigen "Platz der Opfer des Nationalsozialismus". Rechts oben der trompetende Engel auf der heutigen Turmspitze.
>
Wer macht diese Führung?
Stadtführer Martin Schmitt-Bredow ist der Sohn eines lutherischen Geistlichen, der früher Superintendent (Regionalbischof) und Angehöriger der deutsche Minderheit in Wolhynien (damals Polen, heute Westukraine) und der dortigen "evangelisch-augsburgischen" Kirche während des Zweiten Weltkrieges war. Studiert hatte sein Vater im bayerischen Erlangen (sowie auch in Leipzig) und so wurde er - selber Flüchtling - bereits 1945 zu Ende des Krieges als Flüchtlingspfarrer in Bayern tätig (zuerst in Mchn.-Freimann, dann in Erlangen).
Sein jüngster Sohn Martin Schmitt-Bredow - früher Wirtschaftsgeograf und Dipl.Kfm. - veranstaltet seit 19 Jahren Stadtführungen in München.>
Falls Sie nur wenige, aber doch mehrere Personen sind und gerne
zu einem bestimmten Termin an dieser Führung teilnehmen möchten,
so können wir Ihnen das zu Ihrem Wunschtermin anbieten für den
Kleingruppen-Preis von 125 Euro (max. 5 Personen). Wenn Sie die
Führung nicht exklusiv möchten, stellen wir diesen Termin öffentlich
auf unserer Webseite und Ihre 125 Euro reduzieren sich für jede Person,
die dazu kommt, um je 10 Euro.
Tel. 0176-96 33 00 29
Die Lukaskirche an der Isar wurde 1896 im neobyzantinischen Stil als eine Art evangelische Vorstadtkathedrale erbaut.
Hinweise zur Stadtführung 500 Jahre Reformation in München
Gruppenführung auf Anfrage
Möchten Sie teilnehmen? Diese Führung ist eine Gruppenführung für 1 bis 15 Teilnehmer bei individueller Terminvereinbarung!
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