König-Ludwig-II.-Tour
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Wir besuchen den Sarkophag des Märchenkönigs (sonntags nicht möglich) und suchen die Spuren und Bilder seiner (un)vollendeten Wintergärten, Schlitten, Wasser- und Luftfahrzeuge. Wie kam Ludwig II. zu Tode? Wie kam er mit Moderne, Volk und Verfassung zurecht?
Auch der Frage seiner Schulden und wie der König zu Tode kam, gehen wir bei dieser Stadtführung nach, bei der wir einen ehrlichen, ungeschminkten Blick auf diesen allzu oft romantisch verklärten König werfen wollen. Vielleicht musste er nur den falschen Beruf im falschen Jahrhundert ausüben.
Ludwig II. war ein genialer Schöngeist, der für Architektur, Kunst und
neueste Technik brannte. Beim Amt des Königs und bei der Regulierung seiner
Finanzen ist er aber ziemlich groß gescheitert. Als ein perfekter
Architekt von Traumwelten fasziniert er jedoch die Menschen bis heute.
Er hätte mit seinen Möglichkeiten der berühmteste Konzeptkünstler
vor Christo werden können.
Anhand seiner Münchner Stationen und umfangreichem Bildmaterial folgen wir diesem - im guten Sinne - verrückten Architekturkünstler durch München auf dem Weg in seinen persönlichen Untergang - bis hin zu seinem unterirdisch versteckten Sarkophag.
Ludwig II. war Bayerns jüngster und vielleicht auch schönster König.
König Ludwig II., 18 Jahre alt und 1,92 Meter groß, war eine nicht nur von Frauen bewunderte Erscheinung. Er samt seiner Vorgänger aus Jahrhunderten befand sich jahrelang am Bauzaun im Königsbauhof.
Wie er begann
"König!" schreibt der bisherige Kronprinz am 10. März 1864 in sein Tagebuch quer über die Seite in riesiger (deutscher Sütterlin-) Schrift - mit Ausrufezeichen! Das Volk bejubelt den über 1,90 Meter großen Hünen. "Bessere", hochgestellte Mütter standen mit ihren heiratsfähigen Töchtern an der Residenz Schlange, kaum dass die eiligst gedruckten Postkarten des neuen, hübschen 18jährigen Monarchen unter das Volk verteilt waren.
Wie er endete
Zwei Leichen treiben am Abend des 13. Juni 1886 tot am Ufer des Starnberger Sees; neben dem König auch der ihm zwangsweise verordnete Psychiater Prof. von Gudden. Aber warum?
Das exotische Paradies Ludwigs II. mitten in München
Ludwig, der in Schloss Nymphenburg und der Residenz aufgewachsen war, suchte sofort ab seinem 18. Geburtstag die Distanz zu Eltern und Hofstaat. Als eine seiner "kleinen" Fluchten ließ er sich mitten in München einen exotischen Wintergarten erbauen, der damals und heute noch seinesgleichen sucht - mit bisserl grünem Dschungel, bisserl Himalaya (das sind keine Alpenberge im Bild oben), mit künstlichem Vollmond und Regenbogenprojektion. Technisch wirklich das Allerneueste, alles elektrisch beleuchtet, was das Münchner Volk übrigens noch nicht kannte - und die Menschen nur neugierger machte, was ihr König eigentlich hinter dieser weit sichtbaren Glas- und Eisenkonstruktion da nachts so treibt ...
In dem 1400 qm großen Areal standen dem König und seinen wenigen Privatgästen u.a. zur Verfügung: eine kleine Moschee, ein indisches Maharadscha-Zelt, eine indianische (?) Schilfhütte, künstlicher Vollmond, eine Regenbogenmaschine und ein kleiner See. Manchmal gab es aus dem Hintergrund noch dazu Musik von Richard Wagner, die ein eingezwängtes Miniorchester spielen musste.
Der Wintergarten Ludwigs II. vom Odeonsplatz aus gesehen (Foto links oben), links im Bild
das Hofgartentor.
Die benachbarte bayerische Staatskanzlei, Anfang der 1990er Jahre erbaut (rechts oben),
übernahm in ihrer Dachgestaltung den Stil dieses Wintergartens. Unter diesem Glasdach
residiert heute als des Königs Nachfolger Ministerpräsident Markus Söder.
Ludwig’s II. Süßigkeitensucht und Zahnprobleme
Laut dem Kulturhistoriker Klaus Reichold hatte Ludwig II. am Ende
nur noch 4 oder 6 Zähne und die auch noch zusammenhängend. Er konnte
praktisch nur noch sowas wie Haschee essen oder muss eine der frühen
Zahnprothesen tragen.
Geschuldet war das seiner strengen, asketischen Erziehung. Noch am
letzten Lebenstag seines Vaters wurde er im Alter von 18 Jahren von
diesem damit bestraft, dass er den Kaffee nur ungesüßt trinken durfte.
In der Nacht darauf stirbt der Vater. Am folgenden Tag soll der
geschockte Sohn sofort bei Süßigkeiten zugeschlagen haben …
Die Wirkung des ungehemmten Süßigkeitenkonsums des jungen Königs war
unübersehbar: Der schlanke junge Monarch nahm derartig zu, dass er
irgendwann nicht mehr auf dem Pferd reiten konnte, sondern mit der
Sänfte getragen werden mußte. Dazu stellte sich eine Super-Karies ein,
so dass Ludwigs Gebiss zunehmend vom Zucker zerfressen wurde.
Ein Koch versuchte einmal, eine Vanillesoße für Ludwig II. nach
Original-Angaben nachzukochen. Ungenießbar, beurteilte der
heutige Koch, da wäre nämlich eine extrem pappsüße, ungenießbare
Masse rausgekommen.
Die tollen Erfindungen von & für Ludwig II.
Ludwig war ein Technik-Enthusiast. Obwohl er sich seine Raumausstattung oder Kutschen gerne im damals völlig veralteten Rokokostil designen ließ, war er in technischen Dingen ein absoluter Freak, der immer nach der allerneuesten Technik verlangte. So hatte er als erster elektrische Beleuchtung in München, was die Münchner Bürger überhaupt noch nicht kannten. Während die meisten Münchner schliefen, fing der Märchenkönig unter elektrischem Licht erst richtig zu leben an - Ludwig hatte bedingt durch Kinderkrankeiten eine echte (Sonnen-)Lichtallergie. So wurde er zum lichtscheuen Nachtmenschen mit viel Kunstlicht, Aufstehen um 19 Uhr und Mittagessen zwischen 1 und 2 Uhr nachts. Zu Sonnenaufgang hieß es dann zu Bette zu gehen. Seine Haut wurde so zunehmend weiß, bleich und "talgig".
Das vermutlich erste elektrisch beleuchtete Fahrzeug der Welt war ein Schlitten Ludwigs II., mit dem er gerne nächtens auf Waldwegen im Allgäu unterwegs war. Eine große Akkuleuchte, eingebaut in eine Krone über den Köpfen der Schlitteninsassen, strahlte ein für die damaligen Bauern des Allgäus überirdisches Licht in die winterliche Nacht. Unter dem Sitz des Königs befand sich die riesige Akkubatterie - und wärmte vielleicht sogar Ludwigs Hintern im Winter. In Schloss Nymphenburg kann dieser Schlitten in der größten Kutschen ausstellung der Welt immer noch besichtigt werden.
Ludwig II. war technikbegeistert und ein Förderer modernster Technologien ...
... so ließ er schon 30 Jahre vor Graf Zeppelin bayerische Ingenieure
Luftschiffe entwerfen (Animation links oben), in Neuschwanstein die erste
Telefonvermittlungsanlage Bayerns (rechts oben) und in Schloss Linderhof
das erste Elektrizitätswerk der Welt einbauen (unten) zur Beleuchtung der
Venusgrotte - allerdings sollte das alles eigentlich nur zur
persönlichen Erbauung des Königs dienen ...
Ludwigs II. Flugträume waren übrigens einer der Gründe für seine
angebliche "Verrücktheit". Dabei lag dieser Idee damals in der Luft;
nur fünf Jahre nach seinem Tod machte Otto Lilienthal Flugexperimente
und an diesem orientierten sich dann in den USA die Gebrüder Wright ...
Natürlich nutzte Ludwig auch die kurz vor seiner Geburt erfundene Eisenbahn. Für die königliche Sommerfrische ließ der naturbegeisterte König sich einen Terrassenwagen anfertigen.
Der Terrassenwagen Ludwigs II. im Deutsche-Bahn-Museum Nürnberg. Ungewöhnlich für einen Monarchen suchte Ludwig oft die Natur in Form von Seen, Bergen und Himmel - aber bitte nur nachts. Und so reichte ihm der Terrassenwagen nicht aus. Berichtet wird, dass er einmal auf dem Wege von München nach Starnberg mit seinem Eisenbahnzug unterwegs war, als ihn eine Mondnacht so ergriff und begeisterte, dass er in Pasing seinen Sonderzug anhalten ließ, um vorne am offenen Führerstand der Dampflok die Mondnacht neben dem Lokführer zu genießen - bei der Fahrt über Planegg, Gauting und das Mühltal.
"Wohnst Du noch oder lebst du schon?" könnte schon lange vor IKEA ein Leitmotto für Ludwig II. gewesen sein. Keinesfalls wollte Ludwig nur "wohnen", sondern vielmehr seine Fantasien umsetzen (lassen). Doch hielt es den Monarchen nie lange an einem festen Wohnsitz, vielmehr lebte Ludwig meist reisend aus dem Koffer (also aus ziemlich vielen Koffern) und so wuchs die Zahl seiner prächtigen Wohnsitze immer weiter an, zwischen München, Starnberger-See-Jacht und einigen Alpengipfeln, auf die er sich mit der Sänfte hochhieven ließ (solche einen langen Serpentinenweg hoch zum Gipfel der über 2000 Meter hohen Schoettelkarspitze können Sie einige Bilder weiter unten sehen).
Das Schlafzimmer König Ludwig II. in der Münchner Residenz
Der bayerische König entwickelte sich so zum Chefarchitekten eines ambitionierten Schlösserbauprogrammes, was wegen der enormen Kosten und wachsenden Verschuldung Regierung und Hofstaat zunehmend ängstigte. Aber auch weil Ludwig wenig Lust zum Residieren in München zeigte. Mit der Hauptstadt hatte er sich völlig verkracht, da der Münchner Stadtrat sich schlicht weigerte, für den von Ludwig angebeteten Richard Wagner eine (Semper-)Oper neben dem Maximilianeum zu bauen und auch noch aus der Stadtkasse zu finanzieren.
Mit historischen Architekturvorlagen Statements der eigenen Gesinnung abzugeben, also für welches Zeitalter der Bauherr eben schwärmt, war im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter des Historismus, gang und gäbe. Und Ludwig II. stand nun mal auf den damals völlig aus der Mode gekommenen Rokokostil seines französischen Namensvetters Ludwig XIV.
Bei Ludwig II. ging das Ganze aber noch weiter. Obwohl Staatsoberhaupt von Bayern, das gerade ins Industriezeitalter durchstartete, flüchtete er in eine romantisierte, operettenhafte Gegenwelt des Mittelalters, in die er sich mit Richard Wagner zusammen hineinsteigern konnte. Egal, ohne seinen Sponsor Ludwig II. wäre das musikalische Genie Wagner wahrscheinlich als verarmter, heute vergessener Künstler geendet - wie so viele im 19. Jahrhundert.
Der König liebte die Nacht, die Berge und das Mondlicht - und ganz besonders
den fantastischen Ausblick von Neuschwanstein.
Ludwig, der sich ab den 1870er-Jahren - möglicherweise krankheitsbedingt -
zu einem quasi lichtscheuen Nachtmenschen entwickelte, liebte besonders die
Atmosphäre zwischen Tag und Nacht in den Bergen und stieg dafür sogar
vor Sonnenauf- bzw. -untergang auf Berggipfel. Neuschwanstein
sollte ihm diesen Ausblick dauerhaft bieten. Doch blieben ihm
wegen seines frühen Todes nur ganze vier Nächte im
Allgäuer Märchenschloss vergönnt.
Mit der Sänfte auf den Gipfel
Bevor Ludwig mit seinem intensiven Schlösserbau begann, ließ er sich zum Genusse der Natur direkt auf dem Gipfel der gut 2000 Meter hohen Schöttelkarspitze im Karwendelgebirge einen "Pavillon" erbauen. Gut - der junge König gab sich damals noch mit einer Hütte zufrieden. Wie aber dort hoch kommen? Als König am einfachsten mit der Sänfte! Also wurde für den immer schwergewichtigeren Ludwig eigens ein ungewöhnlich komfortabler Serpentinenweg angelegt, der den königlichen Sänftenträgern genügend Raum und Atemluft ließ, ihren gnädigen Monarchen ganz nach oben zu schleppen. Weniger sportliche Bergspaziergänger profitieren heute noch davon.
König Ludwig und die Frauen
Ludwig hatte es - sagen wir mal so - nicht all zu sehr mit Frauen; auch wenn sein Großvater und Frauenheld Ludwig I. zu ihm gesagt haben soll: "Dir kann kein Weib widerstehen". Überliefert ist tatsächlich, dass die Damen reihenweise in Ohnmacht fielen, sobald sich der junge Ludwig II. bei Empfängen zeigte. Ganz Kind seiner Zeit erklärte er: "Ach, die Weiber! Auch die Gescheiteste disputiert ohne Logik."
Zwar ließ sich der blutjunge König verloben - mit seiner Verwandten Sophie, seiner Cousine und Schwester der österreichischen Kaiserin Si(s)i. Aber Ludwig löste wieder seine Verlobung "in beiderseitigem Einvernehmen". Ziemlich ehrlich gestanden der König und Sophie sich ein, dass die Gefühle füreinander nicht ausreichten und man "nur gemeinsame geistige Interessen habe" (sprich: Zur Sicherung des dynastischen Nachwuchses braucht es nun mal etwas mehr ...). Tatsächlich gelang es ihm damit, der damals im Hochadel üblichen dynastischen Zwangsheirat zu entgehen. Auf Dauer offenbar aber nur Ludwig: Seiner Ex-Verlobten Sophie sollte nämlich ein ähnliches Schicksal wie später dem bayerischen König widerfahren: Sie wurde von der Wittelsbacher Familie für verrückt erklärt und in eine Irrenanstalt eingeliefert, nachdem sie sich von ihrem späteren (zwangsverheiratetem) Ehemann, einem französischen Adeligen, scheiden lassen wollte.
Dieses offizielle Verlobungsfoto (links oben) sieht wirklich etwas gestellt aus.
Rechts oben ein Portrait-Ausschnitt aus der vom Hof verschickten Mitteilungskarte zur Verlobung.
König Ludwig und die Männer
Nun ja - König Ludwig war schlicht und einfach viel mehr den Männern zugetan, worunter er durchaus litt, weil er das wohl als "Sünde" ansah - dies wird von den Historikern verbürgt. Aber wirklich historisch gesichert ist nun doch wenig, insbesondere, wie viel oder wie wenig Ludwig seine Sexualität wirklich ausleben konnte und ob er sich das wirklich erlaubt hat. Von daher wird bis heute viel spekuliert: Sind seine Begegnungen mit Männern selten über Berührungen und Küsse hinausgegangen? Und die Frage, ob der König sich nicht gescheut hat, ihm untergebene Reitersoldaten sexuell zu missbrauchen (Quelle: Häfner), wurde plötzlich zu einem mehr als delikaten Problem. Denn als Ludwig geboren und später König wird, ist Homosexualität in Bayern erlaubt (infolge der napoleonischen Reformen), aber nachdem Ludwigs Bayern 1866 einen Krieg gegen Preußen verliert, muss sein Königreich 1871 dem neuen deutschen Kaiserreich beitreten - und dieser autoritäre Obrigkeitsstaat macht mit dem berüchtigten § 175 homosexuelle Handlungen zur Straftat. Ludwig musste das nicht stören, denn als König stand er im 19. Jahrhundert noch über dem Gesetz. Aber Regierung und Hofstaat störten sich zunehmend schon daran ...
Eine skandalöse 'Photographie' wird retuschiert
König Ludwig sitzt mit seinem wahrscheinlichen Liebhaber im Fotoatelier, dem Münchner Hofschauspieler Josef Kainz.
Originalfoto (links) und retuschierte, 'offizielle' Version (rechts). Der stehende junge Mann hat seine Hand auf die Schulter des Königs gelegt (links) und das auch noch in einem Photoatelier - im 19. Jahrhundert ist sowas einfach skandalös und wurde darum im veröffentlichten Bild (rechts) wegretuschiert. Einen König darf kein normaler Mensch einfach so berühren! Beim französischen Louis XIV. früher hätte das wohl Gefängnis bedeutet und im Mittelalter wäre mindestens die Hand danach ab gewesen. Und wer ist dieser vermutliche Liebhaber des Königs? Der Münchner Hofschauspieler Josef Kainz. Mit ihm reist Ludwig in die Schweiz an die Originalschauplätze von Schillers "Wilhelm Tell", damit Kainz ihm vor Ort den "Tell" rezitiert, wie es nun mal der romantische Ludwig liebt. Bei einer Schweizer Photo-Session entsteht dann dieses Bild. Ein braver bayerischer 'Photograph' hätte bei solcher Szene wohl lieber die Finger vom Auslöser gelassen ...
Nix G'naues woas' mer need ..., nichts Genaues weiß man also nicht, denn Ludwigs homoerotische Neigungen wurden - wie generell in europäischen Fürstenhäusern - auch von Regierung, Hofstaat und sogar seinen psychiatrischen Gutachtern gedeckt - weil einfach zu skandalös im prüden viktorianischen Zeitalter. Aber jeder Fürstenhof Europas war damals ein riesiger Intrigantenstadel. Etwas, was uns unter heutigen republikanischen Bedingungen erst wieder Onkel Donald Trump's Weißes Haus bieten konnte, z.B. mit Schweigegeld für einen Pornostar.
Selbst in New York kündigte sich die "Königskatastrophe" an
Bereits am 13. Juni 1885, genau ein Jahr vor Ludwigs Todestag, berichtet eine New Yorker Zeitung über „ärztliches Einschreiten“ und eine „Isolierung des Königs“. Wenn solche brisanten Überlegungen schon 1885 ausländische Blätter in Übersee ein Jahr vor dem eigentlichen Ereignis erreichen konnten, dann musste es sich bei dem, was sich da anbahnte, sicherlich um eine größere Staatsaffäre handeln. Bemerkte denn der bayerische König nichts davon? Wohl nicht, denn der lebte längst in seiner eigenen, zunehmend abgeschotteten Fantasiewelt.
Regieren wollte Ludwig wie ein absolutistischer König; zu repräsentieren vergaß er jedoch völlig.
Sehr verehrte Ludwig den absolutististischen Sonnenkönig Frankreichs und Namensvetter Ludwig XIV. - wie sich trotz fast zweier Jahrhunderte Abstand die Bilder gleichen: Links der französische Sonnenkönig XIV., rechts sein bayerischer Namensvetter Ludwig II. . Einzig deutlicher Unterschied: Bayerns König trug keine Perücke und zeigte auch keine strammen Beine mehr; aber sonst in einem äußerst ähnlichen Stil. Das Bild wurde jedoch erst nach seinem Tode gemalt - bewusst so?
Irgendwie lebte Ludwig II. im falschen Jahrhundert. So nahm er sich seinen französischen Namensvetter und Sonnenkönig Ludwig XIV. zum Vorbild - nicht nur für Möbelstil und Kutschendesign. Dessen Rokoko-Stil - bereits 200 Jahre zurückliegend - empfanden viele im anbrechenden Industriezeitalter als "ziemlich von vorgestern".
Dieser noch absolutistisch regierende Louis XIV. und seine Nachfolger konnten ohne Hemmungen so viele Schlösser bauen wie sie wollten, mehrfach den Staatsbankrott erklären, solange, bis eben nicht nur die Staatskasse brannte, sondern auch die Revolution ausbrach und König samt Gattin einen Kopf kürzer gemacht wurden.Der bayerische Ludwig II. jedoch lebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem recht anderem Zeitalter - nämlich im Verfassungsstaat Bayern. Politik wurde immer mehr von den Politikern gemacht und König Ludwig konzentrierte sich darum zunehmend auf sein Lieblingshobby, das Bauen von fantasievollen Schlössern in ausgefallenen Stilarten, die dazu noch voller ungewöhnlicher, sprich neuester Technologie steckten.
_Rechts unten im Bild Neuschwanstein als angebliches Gemälde des verhinderten Kunstmalers Adolf Hitler, das 2015 für 100.000 Euro nach China verkauft wurde. Darüber Hitler bei der Besichtigung Neuschwansteins, wo er sich wahrscheinlich Anregungen für seine größenwahnsinnigen Monumentalbauten holen wollte :-), aber an den Fantasienreichtum Ludwigs kam sein Chefarchitekt Albert Speer (links neben Hitler) allerdings nicht im mindesten heran ...
"Der bedeutendste Traumhaus-Architekt des 19. Jahrhunderts"
... sagte der SZ-Kulturkritiker Gottfried
Knapp über unseren Märchenkönig. Tatsächlich entwickelte sich Ludwigs
Schlösserbau zu einer Art Sucht und Flucht aus der Realität des
industriellen Eisenbahnzeitalters hin in mittelalterlich-operettenhafte Fantasiewelten.
Herrenchiemssee und Neuschwanstein waren nur zwei der
Wahnsinnsbauprojekte, die Ludwig II. vorantrieb. Herrenchiemssee (links) als ein verkleinerter
Nachbau des Versailles von Louis XIV., aber gar nicht gedacht für die
königliche Hofgesellschaft - wie einst beim französischen
Sonnenkönig - sondern nur für Ludwig ganz alleine. Das Fremde seine Schlossbauten
betraten ging überhaupt nicht. Allerhöchstens ein Günstling des Königs wie Richard Wagner
durfte so etwas sehen. Mit Neuschwanstein (rechts) gelang es Ludwig und
seinen Architekten dann, eine zwar pseudomittelalterliche, aber heute
weltberühmte Ikone zu erschaffen, die später von Disneyland, Hollywood
und Computerspielen immer wieder kopiert wurde.
Unzurechnungsfähig wegen "Schloßbauwut" und Überschuldung?
Psychiater Bernhard von Gudden (links) und Ludwig II. (rechts mit 42) brechen am 13. Juni 1886 zu ihrem letzten und tödlichen Spaziergang auf. Links unten das Gutachten, mit der Psychiatrieprofessor Gudden den König für unzurechnungsfähig erklärte hatte - ohne ihn vorher gesehen zu haben, nur nach "Zeugenaussagen".
Psychisch dreifach gespalten?
Die Erlanger Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel diagnostiziert aus heutiger Sicht bei Ludwig "eine eigenartige und dreifache Spaltung in seiner Persönlichkeit:
-
als Königssachbearbeiter zügig und untadelig [d.h. seine bürokratischen Amtspflichten als Regent, Anm. d. Autors]
-
als Volksrepräsentant ein weitgehender (soziophobischer) Totalausfall und seine Königspflichten nicht, bzw. nur sehr unwillig, erfüllend (was ihm die Monarchisten auch sehr und verständlicherweise verübelten), und
-
im Privaten [ein] absolutistischer Herrscher, der seine Träume zunehmend rigoroser, hemmungs- und zügelloser auslebte."
Quelle: Sponsel, Rudolf (DAS). Psychographie Ludwigs II. aus allgemein-integrativer und heutiger Sicht. Aus unserer Abteilung Medizinische Psychosomatik, Psychopathologie und Psychiatrie. IP-GIPT. Erlangen: http://www.sgipt.org/medppp/zwang/ludwig2/psychogr.htm
Ganz anders als Ludwigs Vorbild, der noch absolutistisch regierende Louis XIV. - "L' etat c'est moi" - war der König Bayerns seit 1818 nicht mehr das oberste Gesetz, sondern er unterstand der ersten deutschen Länderverfassung (mit einer konstitutionellen Monarchie), konnte nicht mehr in die Staazskasse greifen und konnte sogar als Schuldner sogar vor Gericht verklagt werden. Gut 100 Gläubiger, insbesondere Schlossbauunternehmer und Banken, hatten Anfangs 1886 bereits Antrag auf Zwangsvollstreckung gestellt. Diesen Skandal wollte die Staatsregierung unbedingt vermeiden und betrieb - zusammen mit Ludwigs Verwandtschaft - darum die Entmündigung des Königs, der jedoch seinen Schlösserbau - und seinem einzig verbliebenen Lebenssinn - überhaupt nicht stoppen wollte und konnte. Und so konnte man ihm "Pracht-, Prunk- und Bauraserei" vorwerfen.
14.303.825,87 Reichs- bzw. Goldmark war Ludwigs Schuldenstand 1886.
Um sich eine Vorstellung der Höhe von 14 Mio. Goldmark Schulden im Jahre 1886 zu machen, sollte man den Betrag erst einmal mit 9 multiplizieren und man erhält einen Gegenwert an heutiger Euro-Kaufkraft, um Wirtschaftsdaten oder Finanzmärkte vergleichen zu können. Würde man aber Löhne, sprich die Volkskaufkraft von 1886 und heute als Vergleich zugrunde legen, hätten sich Ludwigs Schulden nach heutiger Kaufkraft sogar der Euro-Milliardengrenze genähert.
Viereinhalb Monate vor Ludwigs Tod bezifferte allerdings die Staatsregierung die Schulden bereits auf 20 Mio. Mark - indem sie realistischerweise Ludwigs neue Aufträge und Projekte bereits miteinkalkulierte. Ludwig standen jedoch an finanziellem Etat und Spielraum jährlich nur eine "Kabinetts-Kassa" von etwa einer Million Goldmark zur Verfügung. Er war damit also hoffnungslos überschuldet. Welche abenteuerlichen bis sogar kriminellen Pläne (ja, leider wahr) der König in seinen letzten Monaten verfolgte, um wieder an Geld und Kredit zu kommen, erzählen wir Ihnen bei dieser Stadtführung.
Als ihm Anfang 1886 darum der Chef der Bayerischen Staatsregierung, Johann von Lutz, eine Beschlagnahmung einiger Schlösser androht, schreibt König Ludwig an einen Vertrauten:
120 Gläubiger, Schlossbauunternehmern, Handwerker sowie auch einige Banken hatten zu diesem Zeitpunkt bereits Antrag
auf Zwangsvollstreckung gestellt - Staatsregierung und Hofstaat stand damit unter Zugzwang ...
der Auftakt zum finalen Fiasko. Viereinhalb Monate später wird
der König tot aufgefunden, was angesichts solcher Aussagen recht plausibel
auf Freitod hindeuten könnte - würden nicht die Begleitumstände und medizinischen
Befunde - heute - jeden Kriminalkommissar alarmieren und auf anderes hinweisen ...
Zu den näheren Todesumständen siehe
weiter unten.
Nach Ludwigs Tod zahlte das Haus Wittelsbach, Ludwigs Großfamilie,
die angehäuften Schulden des toten Königs innerhalb von nur 15 Jahren zurück,
insbesondere dank Tantiemen aus Wagner-Opern, die sich Ludwig klugerweise
vom Komponisten hatte zusichern lassen. Der bayerische Steuerzahler musste
also niemals für Ludwigs Schlösserbau aufkommen. Im Verfassungsstaat des
Königreiches Bayern konnte auch kein König mehr in die Staatskasse greifen.
Wir besuchen Ludwigs letzte, unterirdische Ruhestätte - wenn er denn
dort unten immer noch im tonnenschweren Sarkophag ruhen sollte,
was einige radikale Monarchisten bezweifeln.
Ludwigs Tod - ein ungeklärter Kriminalfall?
Der König, der als guter Schwimmer galt, wird 42jährig tot im
Uferbereich des Starnberger Sees aufgefunden - eine Woche nachdem die Bayerische Staatsregierung seine
Entmündigung beantragt hatte, gestützt auf ein Ferngutachten des Psychiatrie-Professors
Bernhard von Gudden. Dessen Leiche treibt neben der des Königs im Wasser.
Literarisch wäre dieser Plot ein spannender Einstieg für jeden Krimi
oder Film - nur war dies die harte Realität des 13. Juni 1886
am Starnberger See bei Berg.
Zwei Wasserleichen nebeneinander müssten eigentlich jeden Kriminaler elektrisieren,
besonders wenn bei der einen kein Wasser in der Lunge gefunden wurde
und bei der anderen Leiche die Todesursache nicht näher untersucht wurde.
Woran starb nun Ludwig? ++ Einige weniger wahrscheinliche und eine eher wahrscheinliche Version(en) erzählen wir Ihnen gerne bei dieser Tour.
Ludwig II. war wohl ein ziemlich unglücklicher Mensch und Monarch in einer Zeitepoche, die für Könige und Kaiser keine Verwendung mehr hatte und in der die Macht bereits an Politik und Industrie übergegangen war. Als Architekturkünstler hinterließ er große Spuren, von denen Bayern noch lange zehren dürfte. Vom Staatsoberhaupt und Menschen Ludwig bleibt uns eher die Erinnerung an ein tragisches Schicksal.
Trotz aller Spekulationen über Ludwigs Tod sollten Sie jedoch nie vergessen:
Ludwig lebt -
auch in dieser Stadtführung!
Falls Sie nur wenige, aber doch mehrere Personen sind und gerne
zu einem bestimmten Termin an dieser Führung teilnehmen möchten,
so können wir Ihnen das zu Ihrem Wunschtermin anbieten für den
Kleingruppen-Preis von 125 Euro (max. 5 Personen). Wenn Sie die
Führung nicht exklusiv möchten, stellen wir diesen Termin öffentlich
auf unserer Webseite und Ihre 125 Euro reduzieren sich für jede Person,
die dazu kommt, um je 10 Euro.
Ludwig-II.-Fans findet man bis heute, egal ob mit Rauschebart oder ob mit Dachappartment.
Hinweise zur Stadtführung König-Ludwig-II.-Tour
Gruppenführung auf Anfrage
Möchten Sie teilnehmen? Diese Führung ist eine Gruppenführung für 1 bis 15 Teilnehmer bei individueller Terminvereinbarung!
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